Betrachtungen zu dem Buch „Tödliche Medizin und organisierte Kriminalität – Wie die Pharmaindustrie das Gesundheitswesen korrumpiert“ von Peter C. Götzsche

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Peter C Goetzsche, Tödliche Medizin und organisierte Kriminalität. © riva

Frankfurt am Main, eutschland (Salon Philosophique). Der Däne Peter Götzsche (Jg. 1949) hat 2013 auf über 400 Seiten ein kritisches, ja vernichtendes Buch zur Pharmaindustrie veröffentlicht, das 2015 auf den deutschen Markt kam. Das Vertrauen oder die positiven Erwartungen in die Medikation im Sinne des Placeboeffektes stellt einen wichtiger Bestandteil bei die Wirkung selbst dar, und dieses Vertrauen wird nun nicht zum ersten Mal durch mafiaähnliche Methoden erheblich erschüttert und infrage gestellt. Die Gewinnmaximierung ohne Rücksicht auf die Folgen von Patienten und Ärzte, die auch durch die Pharmawerbung verführt werden, in einem freien liberalisierten Markt, stellt das eigentliche Problem dieser Erschütterung dar. Dies Verhalten kostet die Patienten Milliarden, erhebliche Leiden infolge der Nebenwirkungen und manche Todesfälle. Durch das schnelle Geld werden allerdings manche Ärzte zur Komplizenschaft verführt.

Um dies Vertrauen zu erlangen, findet ein Run auf die Köpfe der potentiellen Patienten und der Ärzte statt, wird mit allen Mitteln in den Medien geworben, Professoren erheben ihre Stimme als Meinungsführer und Patientenselbsthilfeorganisationen werden gekauft. Es geht nur um eins; Medikamente zu verkaufen, und das gelingt hervorragend. Das hervorragende Gelingen erklärt sich durch die Tatsache, der Patient gerät durch die Krankheit in einen regressiven Zustand, wo er auf externe Hilfe geradezu angewiesen ist. Durch die Hoffnung auf Besserung, die er allein nicht bewerkstelligen kann, die von außen kommen muß, zum Unterschied von leichteren Erkrankungen, wo er sich mit Hausmittelchen selbst helfen kann. Auch die Hausmittelchen werden durch die Pharmawerbung hintertrieben und infrage gestellt, Nur ihre Mittel können alleine helfen, und die Selbstmedikation wird ebenfalls danach ausgerichtet. Der Patient hängt am Tropf der Pharmaindustrie. Ihm ergeht es wie einem Schwerstkranken, dem zu seiner Gesundung jedes Mittel recht ist, ähnlich wie einem Leistungssportler, dem um der Leistung willen jedes Mittel wie Doping recht ist.

Jeder Patient weiß, der Arzt zückt als erstes den Rezeptblock. Er will den Patienten nicht mit leeren Händen fortschicken, und der Patient fordert es. Dabei sagen die meisten Krankheiten etwas über uns aus, vor allem die chronischen Volkskrankheiten. In einer inneren und äußeren unlösbaren Konfliktlage kommen sie sozusagen wie von selbst über uns, es geschieht mit uns. In uns zu gehen, darüber zu reflektieren, mit anderen zu sprechen, vor allem mit einem vertrauenswürdigen Arzt, und eine Lösung zu finden, wird durch das Medikament geradezu verhindert. Ich weiß, als ich noch am Notdienst teilnahm, 2/3 der Patienten, die den ärztlichen Notdienst riefen, hatten Angst vor einem schlimmen Verlauf ihrer Beschwerden. Da reichte es, mit ihnen zu sprechen und sie zu beruhigen. Allein durch ihre Existenz ist die Pharmaindustrie höchst unproduktiv, und darüber hinaus durch solch kritische Bücher wird das Vertrauen der Patienten korrumpiert.

Der Autor beschreibt das organisierte Verbrechen als Geschäftsmodell für die Pharmariesen. Pharmaunternehmen sprechen nie über die Vor- und Nachteile ihrer Medikamente, sondern nur über ihre Wirksamkeit und Ungefährlichkeit. Worte erschaffen, was sie beschreiben, und die bevorzugte Sprache ist die der Verführung. Dies wird beispielsweise täglich in der aggressiven Fernsehwerbung illustriert. Sie gaukelt uns vor, es könne nur gut sein, Medikamente einzunehmen, da sie wirksam und sicher sein. Ein anderer Grund dafür, dass Patienten und Ärzte ihre Arzneimittel meist für wirksam und ungefährlich halten, ist der Irrglaube, die Pharmaindustrie habe diese Präparate sorgfältig getestet und die Behörden hätten sie vor ihrer Zulassung genau und streng überprüft. Es ist genau umgekehrt, die Medikamente wurden nicht sorgfältig getestet und bei der Zulassung nicht streng überprüft.

In einer „Hall of Shame“ der Pharmariesen beschreibt er, dass Pfizer 2009 bereit war, 2,3 Milliarden $ zu zahlen, Novartis 2010 423 Millionen $. Sanofi-Aventis war 2009 bereit wegen Betrug mehr als 95 Million $ zu zahlen, GlaxoSmithKlein 2011 3 Milliarden, Astra Zeneca 520 Millionen. Roche überredete Regierungen, Tamifluvorräte anzulegen, was den Steuerzahler Milliardenbeträge kostete. Johnson&Johnson zahlte 2012 Geldbußen von über 1,1 Milliarden $, Merck zahlte 2007 wegen Betrugs 670 Millionen $, EliLilly zahlte 2009 mehr als 1,4 Milliarden $ wegen illegaler Vertriebsmethoden. Abbott zahlte 2012 wegen Betrugs 1,5 Milliarden $. Seine Studien belegen das Unternehmen ständig wiederholt ohne Skrupel gegen Gesetze verstoßen. Todesfälle und schwere Nebenwirkungen werden einfach in Kauf genommen, und dem Steuerzahler werden riesige Geldbeträge gestohlen.

Er meint in einem Kapitel, sehr wenig Patienten profitieren von ihren Medikamenten. In einem weiteren Kapitel spricht er die Interessenkonflikte der medizinischen Fachzeitschriften an, die einerseits von der Pharmaindustrie profitieren, allein schon von der Werbung, andererseits ihrem eigentlichen Auftrag nicht nachkommen können. Was tun Tausende von Ärzten, die Geld von der Industrie bekommen? Die Industrie gibt ihnen neue Medikamente, die sie an ihren Patienten unter Bezahlung ausprobieren und aufschreiben, wie sie wirken. Die gesammelten Daten werden selten veröffentlicht, ohne Studienplan und Studienziel, aber die Medikamente deutlich mehr verordnet. Gekaufte Meinungsmacher geben bezahlte Ratschläge, bilden aus und halten Vorträge auf gesponserten Kongressen. Unter aggressiven Verkaufsstrategien schreibt er, klinische Studien sind getarntes Marketing, Ghostwriter und eine Marketing-Maschine, Befindlichkeitsstörungen wie Sodbrennen zu Volkskrankheiten zu erheben. Alte Medikamente werden unter geringen Veränderungen als neu ohne Zusatznutzen zu überteuerten Preisen auf dem Markt angepriesen. Durch Probepackungen wird der Verkauf multipliziert. Der Grenzwert des Blutdruckes wird zu niedrig angesetzt, um einen Markt zu gewinnen und Präparate zusätzlich zu verkaufen.

Er schreibt über die Korruption in Überwachungsbehörden und deren Interessenskonflikten. Er ist der Meinung, die Psychiatrie ist das Paradies für die Pharmaindustrie. Prozac und Zyprexa, die schrecklichsten Medikamente von EliLilly wurden zum Kassenschlager, wobei klinische Studien Suizide und Suizidversuche verschwiegen. Sein Fazit zu Psychopharmaka ist, es würde allen viel besser gehen, wenn alle Psychopharmaka vom Markt verschwänden, weil die Ärzte nicht damit umgehen können. Es ist unvermeidlich, dass diese Medikamente mehr schaden als nützen.

Er hält das Gesundheitssystem für so korrupt, dass Menschen, die kriminelles Handeln der Pharmaunternehmen entlarven, zu Parias werden. Sie stören den lukrativen Status quo, in denen die Leute in ihrer Umgebung ordentlich vom Geld der Industrie profitieren: Kollegen, Chefs, das Krankenhaus, die Universität, die Fachärzte, die Ärztekammer und einige Politiker. Deswegen überschreibt er ein Kapitel, Einschüchterung, Drohung und Gewalt zur Verkaufsförderung. Die Ähnlichkeit mit dem organisierten Verbrechen ist groß. Wer die Profite aus den Straftaten gefährdet, wird bedroht. Der Unterschied ist nur, dass die Gewalt in der Pharmaindustrie nicht physischer, sondern psychischer Natur ist, was ebenfalls verheerende Folgen haben kann. Peter Rost beschrieb, wie es 233 Menschen erging, die Betrug aufdeckten. 90% wurden entlassen oder degradiert, 27% wurden verklagt, 26% brauchten die Hilfe eines Arztes oder Psychiaters, 26% flüchteten in den Alkohol, 17% verloren ihr Haus, 15% wurden geschieden, 10% unternahmen Suizidversuche und 8% gingen bankrott. Trotzdem wollten nur 16% nie wieder Straftaten aufdecken.

Die Märchen der Industrie fliegen auf, überschreibt er ein Kapitel. Die Märchen der Pharmaindustrie über ihre Aktivitäten und Motive sind so oft wiederholt worden, dass die Öffentlichkeit, aber auch viele Ärzte und Politiker sie glauben. Sie hindert uns daran, ein vernünftiges Gesundheitssystem aufzubauen, frei von Korruption. Diese Märchen widerlegt er alle. 1. Märchen: Medikamente sind teurer wegen der hohen Entdeckungs- und Entwicklungskosten. 2. Märchen, wenn wir keine teuren Medikamente kaufen, kommen die Innovationen zum Erliegen. 3. Märchen: die Einsparungen sind höher als die Kosten für teure Medikamente. 4. Märchen: Die Industrie finanziert Studien, die zu wissenschaftlichen Durchbrüchen führen. 5. Märchen: Pharma-Unternehmen konkurrieren miteinander in einem freien Markt. 6. Märchen: Öffentlich-private Partnerschaften nützen den Patienten. 7. Märchen: Arzneimitteltests haben das Ziel, die Behandlung der Patienten zu verbessern. 8. Märchen: Wir brauchen viele Medikamente des gleichen Typs, weil Patienten unterschiedlich darauf ansprechen. 9. Märchen: Verwende keine Generika, weil ihre Wirksamkeit unterschiedlich ist. 10. Märchen: die Industrie bezahlt die Fortbildung der Ärzte, weil der Staat das versäumt.

Das Versagen des Systems schreit nach Revolution. Wenn die Gesundheit der Menschen unser Hauptziel wäre, könnten einige der Milliarden, die derzeit in teure Medikamente investiert werden, um den Cholesterinspiegel der besorgten Gesunden zu senken, viel effizienter angelegt werden. Wir könnten Kampagnen unterstützen, die das Rauchen bekämpfen, für mehr Bewegung eintreten und die Ernährung verbessern. Das bedeutet, dass in den Vereinigten Staaten und in Europa Medikamente die dritthäufigste Ursache nach Herzkrankheiten und Krebs sind. Wahrscheinlich stirbt noch eine höhere Zahl von Menschen an den Nebenwirkungen von Medikamenten. Im Krankenhausakten und Berichten von Rechtsmedizinern werden Todesfälle, die auf verschreibungspflichtige Medikamente zurückgehen, oft auf natürliche oder unbekannte Ursachen zurückgeführt, weil die wahre Ursache bisweilen nicht zu ermitteln ist.

Die Anwendung minderwertiger Medikamente gegen Bluthochdruck führt bei schätzungsweise 40.000 Patienten in den Vereinigten Staaten zu Herzversagen. Zu der Zeit, als Medikamente gegen Herzrhythmusstörungen am häufigsten angewandt wurden, haben sie in den Vereinigten Staaten wahrscheinlich pro Jahr 50.000 Menschen das Leben gekostet. Bis zum Jahre 2004 hatte Rofecoxib wahrscheinlich bei rund 120.000 Patienten auf der ganzen Welt tödliche Thrombosen ausgelöst.
Im Jahr 2004 hatte Celecoxib wird wahrscheinlich bei rund 75.000 Patienten auf der ganzen Welt tödliche Thrombosen ausgelöst. NSARs (Rheuma- und Schmerzmedikamente) verursachen in Vereinigten Staaten jedes Jahr wahrscheinlich etwa 20.000 Todesfälle durch Magen- oder Darmgeschwüre. Bis zum Jahre 2007 hatte Olanzapin wahrscheinlich rund 200.000 Menschen auf der ganzen Welt das Leben gekostet. Hinzu kommen jedes Jahr Millionen Menschen, die an schweren Arzneimittelnebenwirkungen leiden und dadurch arbeitsunfähig werden. Es ist immer schwierig, Todesursachen voneinander zu trennen, da mehrere Ursachen gleichzeitig vorliegen können. Tabak verursacht viele Todesfälle durch Herzkrankheiten und Krebs, und wenn wir das Rauchen als einzelne Ursache betrachten, sterben in den Vereinigten Staaten jährlich etwa 440.000 Menschen daran. Die Zahl der Menschen, die an Arzneimitteln sterben, ist also ungefähr halb so hoch wie die Zahl derer, die an Tabak sterben.

Die Hauptgründe für diese Todesfälle sind zu nachgiebige Arzneimittelbehörden, Überbehandlungen mit Medikamenten, die Einnahme zu vieler verschiedener Medikamente gleichzeitig, zu geringes Wissen über die Gefahren von Arzneimitteln und Tausende von Warnungen, die kein Arzt im Kopf behalten kann. Menschliches Versagen kommt häufig vor in einem System, das so kompliziert ist, dass unser Gehirn es nicht bewältigen kann. Wie viele Medikamente brauchen wir wirklich zu welchem Preis? Wir vergeuden riesige Geldbeträge für Medikamente, ohne die es den Patienten besser ginge. Bluthochdruck ist ein gutes Beispiel dafür, dass man nicht nur die Vorteile der Prävention berücksichtigen darf. Vorsorgeuntersuchungen haben offenbar keine Vorteile, was Bluthochdruck anbelangt, aber sie können unerwünschte Folge haben. Eine Studie mit kanadischen Stahlarbeitern zeigt aus dem Jahre 1984, dass die Arbeiter, bei denen anlässlich einer Vorsorgeuntersuchung Bluthochdruck diagnostiziert worden war, mehr Fehlzeiten aufwiesen und größere Eheprobleme hatten. Zudem verdienen sie im fünften Jahr nach der Untersuchung 1093 $ weniger als Kollegen, die fünf Jahre zuvor einen ähnlichen Lohn bekommen hatten.

Gewinnsorientierung ist das falsche Modell. Obwohl die Pharmaindustrie bereits an Konzern-Fettleibigkeit leidet, wirbt sie intensiv für ihre Produkte, damit wir noch mehr Medikamente einnehmen. Vier Manager in der Gesundheits- und Pharmaindustrie gehörten 2010 zu den zehn bestbezahlten Managern in den Vereinigten Staaten. Jedoch können wir den Studien der Industrie nicht trauen. Der einfache Grund ist, wir trauen keinem Menschen, der uns wiederholt belogen hat, selbst wenn’s dieser Mensch manchmal die Wahrheit sagt. Die Pharmaindustrie hat unser Vertrauen missbraucht und befindet sich in einem gewaltigen Interessenkonflikt. Zudem suchen die Firmen Wissenschaftler aus, die seit langem mit der Pharmaindustrie verbunden sind und keine unbequemen Fragen stellen. Der Industrie zu erlauben, ihre eigenen Medikamente zu testen, ist so, als dürfte ich in einen Prozess mein eigener Richter sein. Derzeit ist es üblich, Medikamente zuzulassen, die sich auf Kurzzeitstudien mit nur 500-3000 Patienten stützen, selbst wenn die Medikamente jahrzehntelang eingenommen werden sollen. Das bereitet Katastrophen den Weg, die wegen der Kosten für Prozesse und Entschädigungszahlungen sehr teuer sind. Diese Kosten werden dann auf die Preise der für andere Medikamente aufgeschlagen. Er fordert, alle klinischen Daten müssen öffentlich zugänglich sein. Im Allgemeinen ist es sicherer, ein altes Medikamente einzunehmen, da viele neue Medikamente später wegen Sicherheitsproblemen vom Markt genommen werden.

Er fordert, Ärzte mit finanziellen Verbindungen zu Pharma-Unternehmen sollten nicht in Arzneimittel- oder Leitlinienausschüssen vertreten sein, weder in Behörden noch in Krankenhäusern, Facharztverbänden oder anderswo. Das war beispielsweise unverkennbar, als die Schädlichkeit von Hormontherapie bei Frauen in der Menopause nachgewiesen wurde. Veröffentlichte Gerichtsakten belegen, dass Wyeth von Ghostwritern Artikel schreiben ließ, in dem behauptet wurde, Hormone seien gut für zahlreiche Beschwerden, und die in sehr einflussreichen Fachzeitschriften gedruckt wurden. Die dort genannten fachkundigen Autoren hatten wenig oder nichts zu den Artikeln beigetragen. Keiner dieser Artikel wurde zurückgezogen, obwohl sie äußerst irreführend sind. Einige Beispiele: Besteht ein Zusammenhang zwischen der Hormonersatztherapie und Brustkrebs? Ja, sie verursacht Brustkrebs. Die Bedeutung der Homonersatztherapie bei der Prävention von postmenopausalen Herzerkrankungen? Sie hat keine Bedeutung, weil sie Brustkrebs verursacht. Die Bedeutung der Hormonersatztherapie bei der Prävention von Alzheimer-Krankheit? Sie hat keine Bedeutung, weil sie das Risiko erhöht, an Alzheimer zu erkranken.

Sehr vielen Patienten kommt es nicht in den Sinn, dass ihr schlechter Zustand möglicherweise auf die Tabletten zurückzuführen ist, und ihren Ärzten auch nicht, dass die neuen Symptome Nebenwirkungen des ersten Medikamente sein könnten und verschreiben daher ein zweites gegen die Symptome – usw. Beispielsweise verlor ein äußerst produktiver Autor mit einem Mal jegliches Interesse an seinem geschäftigen Leben, bis ihm einfiel, dass der Betablocker einnahm, und seine Ärzte vergessen hatten, ihm zu sagen, dass sie Depressionen auslösen können. Als er das Mittel absetzte, wurde er wieder er selbst. Die Pharmaindustrie und ihre bezahlten Ärzte lassen nicht einmal junge, starke Menschen in Ruhe. Wissenschaftler, die die europäischen Leitlinien für Herz-Kreislauf-Krankheiten auf die norwegische Bevölkerung anwandten, stellten fest, dass das Risiko, im Alter von 40 Jahren an einer solchen Krankheit zu leiden, bei 86 % der Männer hoch war. Die Norweger gehören zu den langlebigsten Menschen der Welt, das ist die Ironie. Eine andere Studie kam zu dem Ergebnis, dass die Hälfte der Norweger im Alter von 24 Jahren einen erhöhten Cholesterinspiegel oder Blutdruck aufweist, der nach Ansicht von Ärzten behandelt werden muss.

Das Literaturverzeichnis umfasst 59 Seiten und das Stichwortverzeichnis zehn Seiten. Ich habe nur einige Auszüge des Buches bringen können. Ein interessierter Leser, dem ich das Buch sehr ans Herz lege, wird darin noch viele, teils witzige Anekdoten, Beispiele und Sachverhalte finden und viel lernen. Man kann es kaum glauben, und das Buch ist sehr deprimierend.

Ich sehe die Ursache für dieses dargelegte Übel in dem neoliberalen System, das der Profitgier Tür und Tor offen lässt. Die Volksgesundheit ist ein so wichtiges Gut, dass sie nicht alleine gewinn orientierten Konzernen überlassen werden sollte. Zumindest müssten die Überwachungsbehörden besser funktionieren. Das ist staatlicherseits durch Gesetze zu kontrollieren. Medikamente sind wichtig, und das Vertrauen in die Herstellung und in die Ärzte ist schon die halbe Miete der positiven Wirkung. Jedoch ist der Markt auch für die Ärzte unübersehbar. Das wird von den Konzernen ausgenutzt, und sie machen ihn noch unüberschaubarer.

Die Patienten wissen das. Laut Studien wird die Hälfte aller Medikamente in den Müll geschmissen, vor allem, wenn sie im Beipackzettel die Latte von Nebenwirkungen nachlesen, die sie sich nicht antun wollen. Das heißt, sie glauben an die Nebenwirkungen und, Glaube versetzt Berge, sie treten u. U. tatsächlich auf. Daran verdient die Industrie auch noch. Man stelle sich vor, es wird nur die Hälfte gekauft, die tatsächlich eingenommen wird. Die Industrie würde zusammenbrechen. Also muß der Patient zur Erhaltung seiner Gesundheit und der Industrie die Medikamente wegwerfen. Einerseits herrscht eine Medikamentengläubigkeit, der Placeboeffekt, die Umsätze der Industrie steigen jährlich, andererseits ein massives Misstrauen, der Nozeboeffekt, und Ärzte und Patienten schwanken hin und her. Der Mensch möchte souverän über sich sein, Unbekanntes macht vielfach Angst, ob die Medikamente helfen oder nicht, ja geradezu schädlich sind, wie die Fremdenangst und der -haß zeigt.

Zum Schluss möchte ich noch ein kleines Beispiel von mir selbst erzählen. Ich war in der Jugend von meiner Mutter auf Herzkrankheiten gehoben worden. Sie schickte mich mit 16 zu Kuren und ließ mich nicht an einer Radtour teilnehmen. Als ich Anfang 20 bei mir eine leichte Gelbsucht entdeckte, beunruhigte mich bei der ärztlichen Untersuchung vor allem ein betonter zweiter Aortenton. Ich wälzte sämtliche Fachliteratur, konnte aber nichts darin finden. Die Gelbsucht war ein paar Jahre später abgeklungen. Ende 20, als ich selber EKGs auswertete, ließ ich auch eines von mir machen. Das Ergebnis war laut EKG eine erhebliche Koronarsklerose, trotz voller Leistungsfähigkeit. Der EKG-Befund verschwand nach ein einigen Jahren. Anfang 50, berichtete ich meinem Internisten von Herzkrämpfen und -stichen. Er meinte wegwerfend „das kommt von der Wirbelsäule!“. Das beruhigte mich dermaßen, die Beschwerden lagen nicht am Herzen. Die beruhigende Wirkung hielt an, indem seine beruhigenden Worte mir immer wieder in den Sinn kamen, dass ich trotz besseren Wissens keine Herzbeschwerden mehr bekam.

Als ich mit 50 14 Tage nach einem Ironman einen Mitteltriathlon machen wollte, bekam meine Mutter Angst um mich, da ihr Vater und ihre beiden Brüder im gleichen Alter gestorben waren. Heute mit über 70 ist mein Herz trotz Rauchens gesund und kein pathologischer EKG-Befund mehr festzustellen. Meine Mutter befand sich lange wegen des Herzens in Behandlung, sie hatte nicht das Glück wie ich. Für manche Ärzte sind die Herzängste ein gefundenes Fressen. Ich selbst stellte bei ihr einen Linksschenkelblock fest, der für eine erhebliche Herzerkrankung sprach. Dieser Befund verschwand wieder, und sie ist nicht am Herzen im hohen Alter gestorben.

Das zu Befunden, den Ängsten und der transgenerationellen Familienperspektive aufgrund früherer Todesfälle. Die Krankheiten kamen aus Ecken, an die ich vorher nicht im entferntesten gedacht habe. Ich will damit sagen, viele Krankheiten kommen und vergehen wie z.B. Erkältungskrankheiten. Man darf sich nur nicht zu sehr beunruhigen lassen. Wenn man dann in die Medizinmaschinerie gerät, allzu medizingläubig ist, dann gute Nacht. Mein Doktorvater wolle mir sogar die Milz wegen der Gelbsucht herausnehmen.

Die Industrie schoss unter „Pharma-Fakten.de“ natürlich gleich gegen das Buch.

Ein interessanter Beitrag zum Buch: http://harald-walach.de/2014/06/03/toedliche-medikamente-die-pharmaindustrie-als-organisiertes-verbrechen

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Peter C. Götzsche, Tödliche Medizin und organisierte Kriminalität, Wie die Pharmaindustrie unser Gesundheitswesen korrumpiert, Verlag: riva, ISBN: 978-3-86883-438-3, Preis: 24,99 EUR [D]

Eine Artikel zur Pharmaindustrie: „Ein Volk auf Droge – 20 Jahre Glückspille Prozac – ein gelungenes oder zweifelhaftes Jubiläum“ www.bholstiege.de/weltexpress/prozac.htm

Anmerkung:

Vorstehender Artikel von Dr. Bernd Holstiege wurde am 18.02.2015 im WELTEXPRESS erstveröffentlicht.