Wenn Traditionen Opfer fordern – Percheron der Augustiner-Brauerei stirbt auf Oktoberfest in München

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Ein Percheron, ein Kutschenpferd. Quelle: Pixabay

München, Deutschland (Salon Philosophique). Ein Percheron der Augustiner-Brauerei ist tot. Wie die „Münchener Tageszeitung“ (tz) am 2.10.2017 berichtete, starb das Kutschenpferd vor den Augen von Anwohnern und Wiesnbesuchern am 1. Oktober 2017. „Nach ersten Vermutungen der Brauerei ist der Kaltblüter an einem Riss der Hauptschlagader gestorben“, heißt es in der „tz“.

Wie das bei großen Veranstaltungen mit Pferden üblich ist, wenn ein Pferd plötzlich stirbt, ist man mit einer Erklärung schnell bei der Hand.

Plötzlicher Herztod oder Aortenabriss – das kennen wir von Springturnieren und besonders häufig vom Rennsport. Ursachenforschung wird nicht betrieben. Man möchte das grausame Bild schnell vom Tisch haben. Außerdem kostet eine Obduktion viel Geld, nämlich 150 Euro plus Transport.

Julia Maier hat schon 2016 gegen den tierschutzwidrigen Einsatz der Kutschenpferde mit einer Petition protestiert.

Sie protestiert dabei gegen mehrere Aspekte, die tierschutzrelevant sind und die auch im Sportreiten bereits zu heftiger Kritik geführt haben. Es geht darum dass Pferden nicht nur keine artgerechte Haltung als Herdentier zugestanden wird, sondern auf der Wies’n wie auch bei Wettkämpfen die Pferde mit abenteuerlichen Schmerz erzeugenden Eisenstangen im Maul (Kandare genannt) kontrolliert werden, die angeblich der Sicherheit dienen. Den robust erscheinenden Kaltblutpferden wird dabei besonders viel zugemutet, obwohl sie nicht weniger sensibel sind als schlanke Warm- oder Vollblüter.

Kandaren sind feste Metallstangen, die durch das Pferdemaul geführt werden und rechts und links jeweils eine Art Querstange haben, die für die Hebelwirkung sorgen. Die Zügel sind an dieser Querstange befestigt. Zusammen mit einer Metallkette unterm Pferdemaul wirkt eine heftige Hebelwirkung auf das empfindliche Kiefer, Maul und Zunge des Pferdes. Mittlerweile ist bekannt, dass Schmerzen im Maul das Fluchtverhalten des Pferdes eher verstärken als es zu beruhigen.

Eine kritische Untersuchung von „Atmung, Atemlosigkeit und Zaumzeug“ von David Mellor und Ngaio Beausoleil kommt nach dem Lesen sorgsam ausgewählter Kommentare bei 164 Referenzen zu der Erkenntnis, „dass wir die negativen Auswirkungen auf die Gesundheit der Pferde bisher unterschätzt haben, die verursacht werden bei gängigen Praktiken des Reitens. Besonders übersehen wurde anscheinend eine besonders unangenehme Art der Luftnot genannt Ersticken.

Ersticken am eigenen Speichel

Oft, wenn plötzlicher Herztod oder Aortenabriss vermutet wird, liegt der der Tod durch Ersticken am eigenen Speichel vor, der produziert wird durch die Eisenstange im Maul.     „Das Pferd macht möglicherweise ein Gurgelgeräusch wie ein Röcheln aber seine Leistung wird schnell vermindert. Einige Pferde können einen Krampf im Kehlkopf bekommen und geräuschlos sterben, schnell und ruhig. Die Gebisszäumung als solche ist für über 100 Beispiele von negativem Verhalten der Pferde verantwortlich, wobei dieses meisten durch Schmerz und Angst ausgelöst wird, was dann fatal für Mensch und Pferd ist. Wenn ein Medikament auch nur halb so viele deutliche Nebenwirkungen hätte, würde es sofort vom Markt genommen werden!“ (Zitat aus: Dr. Cook „Metall, Mythos, Misere“ in Animal Welfare Science, Ethics and Law, Veterinary Association Journal, January 2008)

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Dieser Artikel wurde erstveröffentlicht bei Weltexpresss am 4. Okt. 2017