Frankfurt am Main, Hessen, Deutschland (Salon Philosophique). Bernd Paschel sprach mit der Pferdetrainerin Silke Vallentin, die auf Pat Parelli’s Ranch am Fuße der Rocky Mountains studierte und dabei u. a. die Arbeit mit jungen und schwierigen Pferden erlernte. Sie ist seit 1999 autorisierte Parelli-Instruktorin. Außerdem lernte sie vom legendären Pferdedompteur Freddy Knie sen., verbesserte ihre Horsemanship-Kenntnisse bei Ray Hunt, dem „Master of Communication“, besuchte Reitmeister Bent Branderup und tauschte sich mit dem russischen „Pferdeflüsterer“ Alexander Nevzorow aus.
Paschel: Liebe Silke, es freut mich besonders, mit Dir ein Interview zu machen, denn ich glaube, dass Du ein Vorbild bist für viele Reiterinnen, gerade weil du im Rollstuhl sitzt.
War es schwer, sich im Rollstuhl in der Reiterszene zu behaupten?
Vallentin: Ich finde es schade dass die heutige Presse immer nur meinen Rollstuhl in den Vordergrund stellen möchte, deshalb lehne ich solche Interviews gewöhnlich ab. Keiner möchte auf seine physischen Probleme limitiert werden und keiner möchte immerzu als Vorzeigeobjekt dienen und auf die Privatsphäre verzichten .Zur Frage, ob es schwer war sich in der Reiterszene zu etablieren, kann ich nur sagen, man ist nicht behindert, sondern man wird behindert. Z.B. durch Degradierung. Mehrfach durfte ich mir das Statement „Behindertensport hatten wir schon“ anhören .Ich möchte mit dieser Aussage keinesfalls die positiven Aspekte des Therapeutischen Reitens in Frage stellen, sondern eher darauf hinweisen, dass das Wesentliche nicht in den Limitierungen eines Menschen liegt, sondern in seiner Kreativität, Schaffenskraft und Ausdauer. Ich denke, meine Sensualität das Einfühlungsvermögen, sowie meine Kreativität wurden durch die körperliche Situation gefördert. Ich empfinde die dadurch entstehenden Probleme als „Berufshelfer“. Ich wollte schon immer allein durch energetische Hilfengebung mit Pferden kommunizieren.
Paschel: In ihrem Buch, das nie erscheinen sollte, beschreibt Regina Rheinwald die Respektlosigkeit, die ihr begegnet ist auf Turnieren der FN. Ich kenne das teilweise auch vom normalen Reitbetrieb in traditionellen Reitschulen.
Vallentin: In allen Reitweisen gibt es schwarze Schafe. Ich würde hier lieber die positiven Aspekte aller Reitweisen erläutern und Gemeinsamkeiten herausfiltern.
Paschel: Die Liste Deiner Lehrer ist spannend. Das System von Pat Parelli wird mittlerweile in Reitschulen der ganzen Welt gelehrt, auch manchmal unter anderem Namen und nicht sehr qualifiziert. Wie passt der zu Provokationen neigende Alexander Nevzorow in Dein System?
Vallentin: Ich erlebte Alexander Nevzorow als einen positiv denkenden, kreativen Kopf, der den Menschen ihre Menschlichkeit oder eben auch Unmenschlichkeit vor Augen hält. Ein Visionär, der vielen Menschen durch seine Reportagen die Augen öffnet – egal zu welchen brisanten Themen er Stellung bezieht. Gewaltlose Kommunikation vs. Krieg ist immer brisant und nicht nur auf den Pferdesport bezogen. Warum wohl fällt jemand in die Kritik der sanften und gewaltlosen Umgang mit Pferden als Ziel sieht. Warum wird Alexander im Direktmandat in die Duma gewählt? :“Weil er das Vertrauen von vielen Menschen besitzt“ Kritiker sind immer schnell dabei und meist kommt die Kritik von Menschen die seine Werke nicht mal kennen. Ich war 14 Tage bei ihm zu Besuch zum „Talente-sharing“ . Besonders verbindet mich mit ihm die Vision Pferden Versammlung und gesündere Bewegung am Boden und im Sattel ohne Zügel zu vermitteln.
Paschel: Mittlerweile hast Du 4 Sterne als Parelli – Instruktor, in Deutschland die einzige. In der Schweiz ist die Parelli – Schule anscheinend am stärksten in Europa verankert, warum?
Vallentin: Pat Parelli hatte seinen ersten Anlaufpunkt in Europa in der Schweiz. Sylvia Furrer hatte ihn erstmalig nach Europa geholt. Folglich gab es dort bald ein großes Instruktoren Team. Wir in Deutschland waren eher immer einzelne Aktivisten der ersten Stunde und sind jetzt erst dabei ein starkes Team zu werden.
Paschel: Ist meine Wahrnehmung richtig, dass Parelli – Schüler mittlerweile sogar einen etwas elitären Touch haben?
Vallentin: Einen Parelli Studenten zeichnet aus, dass er an sich arbeitet und mit dem Pferd spielt. Die Kreativität der Entwicklung aber vor allen Dingen die Partnerschaft von Mensch und Pferd stehen im Vordergrund. In einer perfekten Welt schließen die Parelli-Kernwerte diesen elitären Touch aus. Denn jemand der weiß, was er nicht weiß und von sich behauptet, auf dem Weg zu sein, kann nicht gleichzeitig jemand anderen herablassend behandeln, sondern wird Bescheidenheit an den Tag legen.
Paschel: Zum Glück konnte ich Dich bei einem Kurs in der Rhön kennenlernen und mein Vorurteil hat sich nicht verifiziert, denn Du bist zu Menschen wie zu Pferden, freundlich respektvoll und bestimmt.
Vallentin: Danke!
Paschel: Deine besonderen Fähigkeiten bestehen situationsbedingt in der Bodenarbeit On Line, Liberty und Freestyle. Dein Pferd Biko konntest Du sogar unterm Sattel piaffieren und Galopp – Pirouetten reiten, da er diese Lektionen am Boden gelernt hatte.
Um ein Pferd unbeschadet diese schwierigen Figuren zu lehren, bedarf es eines systematischen Trainings der konditionellen Fähigkeiten wie Kraft, Ausdauer und Koordination. Der mentale Draht, den Du zu Pferden hast interessiert mich natürlich auch.
Hast Du dafür ein System oder Konzept, das Du mir als Diplomsportlehrer nahebringen kannst?
Vallentin: Ja – das Problem beim Pferdetraining ist nur, dass dies eine zu umfangreiche Antwort für ein einziges Interview bedeutet. Jedes Detail dazu, also alle klassischen gymnastizierenden und versammelnden Übungen -auf dem natürlichen Horsemanship Weg vermittelt, können du und die Leser in meinem hoffentlich noch in diesem Jahr erscheinenden Buch erfahren. Oder kauft euch mal das „Horseman“ Magazin, da gebe ich gerade einen Schritt für Schritt Überblick, was zu erwarten ist und wie man solche Lektionen den Pferden vermittelt. Ich habe die vier Qualitäten einer Übung entwickelt und der erste Ansatz ist dabei immer „lobe den kleinsten Versuch“. Wichtig ist auch, dass man den Überblick behält, welche Qualität ich dem Pferd schon erklärt habe. In anderen Worten, was man schon ohne Hilfsmittel -also Stick oder Seil- kommunizieren kann, und zwar nur auf energetische, feine, unsichtbare Kommunikation. Der mentale Draht wird dabei so fein, dass Dinge wie Hankenbeugung kommuniziert werden können und somit der Weg in die „Hohe Schule“ auf Horsemanship-Weise für jeden erreichbar wird.
Paschel: Das wäre in der Tat eine ganz neue Qualität der Gewaltfreien Kommunikation mit dem Pferd! Viel Erfolg bei dieser, wie mir scheint, nicht einfachen Arbeit, die Du vor Dir hast.
Vielen herzlichen Dank, dass Du uns trotzdem ein Stück Zeit und Aufmerksamkeit schenken konntest, die wir hoffentlich nicht Deinen Pferden geraubt haben.
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Anmerkungen:
Vorstehendes Interview wurde als WELTEXPRESS-Exklusivinterview am 08.02.2016, um 16:41 Uhr MEZ, im WELTEXPRESS veröffentlicht.