Die Bestimmung des Pferdes ist die Freiheit – Zu Besuch bei Vaclav Vydra in Tschechien

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Vaclav Vydra © Vaclav Vydra

Frankfurt am Main, Deutschland; Prag, Tschechien (Salon Philosophique). Viele Haustiere könnten aufgrund ihrer genetischen Disposition durch Mutationen nicht mehr in der Freiheit überleben. Die Pferde gehören nicht dazu, denn sie hatten in der Evolution einen eigenen Weg: Sie wurden domestiziert und die Wildpferde starben aus. Danach wurden Pferde wieder in die Wildnis entlassen und sie haben bewiesen , dass sie dort überleben können. Das gilt noch heute, wie man zum Beispiel in Bosnien und Amerika sieht, wo Hauspferde vor 60 Jahren und früher sich selbst überlassen wurden.

Trotz aller Versuche, Sportpferde zu züchten, die der Ideologie unserer Leistungsgesellschaft entsprechen, zeigen die Pferde die Resilienz, dass sie überleben könnten, wenn der Mensch ihnen artgerechte Bedingungen gibt.

Leider ist das Durchschnittsalter der Pferde nur bei 8 bis 9 Jahren, selbst im Freizeitbereich, weil selten artgerechte Bedingungen praktiziert werden.

Was ist „artgerecht“?

Für eine 100%-ige artgerechte Haltung braucht ein Pferd ein ha Auslauf mit viel Abwechselung in Fauna und Bodenbeschaffenheit. 2018, BU und © Bernd Paschel

Artgerecht ist eine Annäherung an das ursprüngliche Leben der Tiere, das in unserer Zeit nur dort möglich ist, wo die die räumlichen Voraussetzungen für die Spezies Pferd gegeben sind. In von Menschen dicht besiedelten  Gebieten ist die Pferdehaltung sehr problematisch und allein schon deshalb nicht vertretbar, weil Pferde Weitwandertiere sind, die nachts nachweislich über 25 km laufen.

Artgerecht ist auch nicht „Eisen am Huf und im Maul“ des Pferdes, da Pferde nicht damit geboren werden. Das ist evident und eigentlich sind keine wissenschaftlichen Untersuchungen nötig, die es aber gibt und nicht nur von vielen Reitern, sondern auch von den Trägern der Wissenschaft, den Universitäten und den großen Reitverbänden hartnäckig ignoriert werden.

Viele menschliche Projektionen auf das Pferd führen dazu, dass das Pferd krank gemacht wird, wie zum Beispiel das gut gemeinte Eindecken des Pferdes im Winter, weil der Mensch friert, da er nicht über ein gut funktionierendes Thermoreguliersystem verfügt wie das Pferd, welches bei genügend Futter (Energie) 20 Grad minus gut ertragen kann. Das Immunsystem wird durch solche und viele andere angebliche Hilfen und Schutzmaßnahmen geschwächt, die dem Pferd zuteil werden, weil Pferdehalter schlecht informiert sind.

Der Laufstall bietet Abwechselung und Herausforderungen, rechts ein Trog mit Salzstein. 2018, BU und © Bernd Paschel

Ist Freiheit in der Gefangenschaft überhaupt möglich?

Um diese Frage zu beantworten, lohnt sich eine Reise zu einem Reiterhof in Tschechien, weil die Praxis überzeugender ist als jede Theorie.

45 Minuten mit dem Auto südlich von Prag befindet sich die Malcany Ranch und die Hufklinik von Vaclav Vydra, die man besuchen sollte.

Nicht nur Pferdefreunde, sondern Tierfreunde, die Hunde, Katzen, Gänse und andere Tiere lieben, könne dort auch mit ihren Kindern erleben, wie viel Freiheit Haustiere ertragen.

Die Malcany Ranch liegt oberhalb des Stausees Slapy, wo Radtouren und Wanderungen einladen zu einem Aktiv-Urlaub oder zu einem reizvollen Aufenthalt nahe der wunderschönen Metropole Prag.

Für fortgeschrittene Reiter, die zügelunabhängig reiten können, besteht sogar die Möglichkeit, auf Absprache an Ausritten ohne Gebiss nur mit Halsring teilzunehmen, wo überwiegend im Schritt und Galopp geritten wird.

 

 

Vaclav im Anmarsch mit 4 Pferden, die ihm freiwillig folgen, auch ohne Strick. Die Gänse bewachen den Hof und greifen fremde Eindringlinge furchtlos an. 2018, BU und © Bernd Paschel

 Ausreiten

Der Jagdreiter Vaclav Vydra  und seine Mitstreiter reiten überwiegend nur mit Halsring und ohne Sattel. Bergauf geht es im Galopp, bergab im Schritt. Pferde in der Freiheit bewegen sich auch überwiegend in diesen beiden Gangarten. Die Pferde von Vaclav und seiner Teilhaberin Martina sind meist hoch im Blut stehende Sportpferde, die durch ihre artgerechte Haltung sehr ausgeglichen sind und auf feinste Hilfen reagieren. Die Sicherheit basiert auf der engen Beziehung zwischen Pferd und Mensch, wobei Vaclav Vydra und seine Schüler  die Rolle des Alphatieres übernehmen auf der Grundlage der Pferdesprache, die man natürlich erlernen muss.

Pferde und Reiter auf dem Weg zum Ausritt. Einige Pferde laufen frei mit, auch eine Stute mit ihrem 1-jährigen Fohlen. 2018, BU und © Bernd Paschel
Ilona, Bernd und Vaclav sind bereit. 2018, BU und © Bernd Paschel
Die Reiter sind unterwegs, die Stute mit ihrem 1-Jährigen lässt sich noch Zeit. Sie wird bald merken, dass die Herde entschwindet und dann schleunigst hinterher galoppieren. 2018, BU und © Bernd Paschel

Ausreiten mit Vaclav ist deshalb nur möglich auf Absprache für Reiter, die absolut zügelunabhängig im Gelände reiten können. Im Sommer reitet Vaclav gern zu einem gemütlichen Restaurant am See, wo Reiter und Pferde Baden gehen und nach einem gemütlichen Abendessen im Mondschein von den Pferden nach Hause gebracht werden.

Oberhalb des Hofes werden die Pferde tagsüber zurückgelassen auf einer großen Wiese, während die Reiter zu Fuß heimwärts gehen. Den Weg nach Hause zum Hof finden sie in der Dämmerung selbstständig, was kein Problem ist, da sie ja ohne Alles geritten werden und der  Weg zum Hof eine Sackgasse ist. Störende Zäune gibt es nicht.

 Unterkunft und Verpflegung auf dem Hof

Das Gästehaus mit Spielplatz. 2018, BU und © Bernd Paschel

Besuchern des Reiterhofes stehen sechs Zimmer zur Verfügung. Es können 20 Personen gleichzeitig untergebracht werden.

Die Zimmer sind sehr komfortabel eingerichtet mit Bad (Zwei- bis Vierbettzimmer mit Fernsehen und WLAN). Für Selbstversorger existiert eine Küche mit großem Esszimmer. Zum Abendessen empfiehlt sich der Besuch eines gemütlichen Restaurants im nahen Umkreis, wo man nette Kontakte mit Einheimischen finden kann.

Vier Fahrräder stehen bereit zur Vermietung und Angebote für Kleinkinder sowie ein Spielplatz ist inbegriffen.

Für Wanderer ist der See ein lohnenswertes Ziel mit gut markierten Wanderwegen.

Ein Prospekt in Englisch kann angefordert werden.

Vaclav Vydra ist ein sehr liebenswerter und freundlicher Mensch und spricht Deutsch wie auch Englisch. Er ist in der Regel anwesend, wenn er nicht gerade beruflich als Schauspieler unterwegs ist.

Slapy

Der Reiterhof liegt in einer Senke oberhalb des Stausees „Slapy“, der in fünf Minuten Fußmarsch abwärts direkt bei einem Schwimmbad erreicht wird. Der Aufstieg dauert ca. zehn Minuten, für Familien mit Kindern natürlich besonders reizvoll, aber auch für Mountainbiker und Wanderer. Gut ausgezeichnete Wanderwege führen um den ganzen See, aber setzen eine gute Kondition voraus je nach Länge, da es viel bergauf und – ab geht. Karten und Wandervorschläge liegen im Gemeinschaftsraum oder können erfragt werden.

Weitere Angebote am See sind Angeln (Ruderboot), Bootsverleih, Golf (18 Loch-Golfplatz).

Empfehlenswerte Ziele in der weiteren Umgebung sind: Die Hauptstadt Prag in einer Entfernung von ca. 35 km. Die Schlösser Dobris und Konopiste sowie die Burgen Krivoklat, Karlstejn und Zvikov liegen in der Umgebung. Der Aquapark in Merin ist mit einem Dampfer erreichbar. Das Freilichtmuseum in Vysoky Chlumec. Fünf Restaurants sind in rund ein bis drei Kilometer Entfernung fußläufig erreichbar. Auch zu einem Kaufladen läuft man nur eineinhalb Kilometer, zur Post zwei.

Der Slapy-Stausee, noch teilweise im Februar mit Eis bedeckt, mit der Brücke, die nach Prag führt. 2018, BU und © Bernd Paschel

Anlage mit Hufklinik

Der Südhang, vom Nordhang aufgenommen, die Pferde genießen die ersten Frühlingsstrahlen bei 10 Grad Minus. In der Senke der Laufstall mit Round-Pen. © 2018, Foto/BU: Bernd Paschel

Das Highlight ist natürlich der Pferdehof und die Hufklinik, wo Gänse, Hunde und Katzen frei herumlaufen.

Die Anlage beherbergt zur Zeit 30 Pferde auf 12 Ha , die sich in einem modernen Laufstall befinden mit überwiegend hartem Untergrund, den Barhufpferde brauchen zum selbstständigen Abrieb der Hufe, und mit freiem Zugang zu den Koppeln in Hanglage. Über einen Transponder am Hals wird die zusätzliche Nahrungsaufnahme von Spezialfutter geregelt, auf dem Laufweg verteilt befinden sich Wasserstellen zur Befeuchtung der Hufe.

Von den 30 Pferden sind 14 Einsteller. Alle Pferde (ausgenommen die Klinik-Pferde (momentan drei) leben zusammen in einem großen Offenstall.

Der Südhang, vom Nordhang aufgenommen, die Pferde genießen die ersten Frühlingsstrahlen bei 10 Grad Minus. In der Senke der Laufstall mit Round-Pen. 2018, BU und © Bernd Paschel

Zu gleicher Zeit fand auf der Malkany Ranch eine Prüfung für angehende tschechische Hufpfleger statt, die in einer Fotoreportage bei Weltexpress  dokumentiert ist.

Weiterführende Informationen: http://www.statekmalcany.cz/homepage#fotogalerie

Die Erstveröffentlichung des Artikels erfolgte am 10. 3. 2018 bei Weltexpress