AG Tierschutz Pferde & Co. e.V. – Mit Daniela Zechendorf-Hess im Gespräch

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Daniela Zechendorf-Hess, Guido Stickel, 2. Vorstand, und Diana Studt, ein sehr engagiertes Mitglied des Vereins (Pfinztal, Oktober 2020). © Foto/BU: Zechendorf-Hess

Berghausen, Deutschland (Salon Philosophique). Die AG Tierschutz Pferde & Co e.V. kümmert sich auf ihrem Tierschutzhof Karlsruhe-Berghausen seit Jahren um kranke, alte und misshandelte Nutztiere. Zu ihren Schützlingen gehören Pferde, Ponys, Esel, Ziegen, Schweine, einige Enten, Katzen, Gänse und Hühner, denen sie in ihren letzten Lebensjahren noch ein artgerechtes, soziales Leben in Herdenhaltung ermöglichen. Wie jeder Tierschutz- und Gnadenhof sind sie auf Spenden angewiesen. Alle ihre Mitarbeiter sind ehrenamtlich tätig.

Ein Gruppenfoto mit den Mitarbeitern am Tag der offenen Tür im Jahre 2014 im Pfinztal. © Foto/BU: Zechendorf-Hess

Das Interview

Paschel: Liebe Daniela, Sie sind die erste Vorsitzende in der AG Tierschutz seit 10 Jahren. Ich war auch einmal 2. Vorsitzender in einem gemeinnützigen Verein für therapeutisches Reiten mit 40 Pferden und weiß, wieviel Arbeit das ist. Wie gelingt Ihnen das?

Zechendorf-Hess: Zu Beginn kann man sich eigentlich gar nicht vorstellen wie viel Arbeit in so einem Verein, noch dazu mit so einer Aufgabe steckt.

Nicht nur die Versorgung der Tiere, sondern vor allen Dingen auch die Bürokratie, die Freiwilligen, die Mitglieder, die Eurojobber, die Sozialstunden Leistenden – alle müssen koordiniert werden und abgeholt mit ihren Bedürfnissen und Belangen. Alle muss man einbeziehen und viele eingelernt werden, denn die wenigsten haben Ahnung von der Arbeit mit und am Tier oder von veterinärmedizinischen Tätigkeiten. Viele möchten einfach nur helfen, sind sehr tierlieb und müssen an die Aufgaben herangeführt werden, das kostet viel Zeit und viel Energie.

Allein wäre dies gar nicht zu stemmen. Ich bin unglaublich froh, dass wir einen sehr gut funktionierenden Vorstand haben.

Im Prinzip ist es ein unbezahlter Ganztagsjob, der sich nur auf mehrere Schultern verteilt gut machen lässt.

Freude und Bewegungsdrang der Herde auf den weiträumigen Koppeln (Pfinztal, April 2014). © Foto/BU: Zechendorf-Hess

Paschel: Sie haben 11 Pferde, 2 Esel, 17 Ziegen, 3 Katzen, Schweine und diverse Kleintiere. Katzen sind ja sehr selbstständig, aber die anderen Tiere müssen versorgt werden. Sie wohnen ja sicher nicht mit allen ehrenamtlichen Helfern auf dem Hof. Gibt es da einen Plan?

Emma, Babs und Wutz bei ihrer Lieblingsbeschäftigung (Pfinztal, 21.4.2018). © Foto/BU: Zechendorf-Hess

Zechendorf-Hess: Keiner von uns wohnt auf dem Hof, wir haben einen recht stabilen Stamm von helfenden Händen, die sich über die Woche mit je ein oder zwei Diensten verteilen. Somit ist  aber auch viel Kommunikation und Organisation nötig um den Betrieb am Laufen zu halten.

Paschel: Besonders interessieren mich natürlich die Pferde. Haben Sie auch noch einen Reitbetrieb, wo ein paar Einnahmen reinkommen?

Zechendorf-Hess: Nein, von unseren Pferden wird keines mehr geritten in dem Sinne. Sie kommen ja vor allen Dingen zu uns weil sie zu alt, zu krank oder einfach nicht mehr reitbar sind. Viele haben das Vertrauen zum Menschen verloren. Wir gehen mit den Pferden spazieren oder beschäftigen sie mit Bodenarbeit im Roundpen oder spielerisch mit einem bisschen Gelassenheitstraining. Ansonsten stehen sie mit ihrer Herde, in der es ja viel Interaktion gibt, auf der Koppel.

Lebensfreude pur im Sommer 2013 im Pfinztal (31.8.2013). © Foto/BU: Zechendorf-Hess

Einnahmen haben wir über Patenschaften, Sponsoring, Kindergeburtstage und Hoffesten, von denen natürlich dieses Jahr nichts stattfinden konnte, was uns wie so vielen erhebliche finanzielle Einbußen brachte. Da wir ja nur Nutztiere beherbergen, die in der Regel wenig Lobby haben, bekommen wir ansonsten keinerlei finanzielle Unterstützung von staatlichen Stellen.

Paschel: Wie Sie mir mitgeteilt haben, war auch schon der Horsemanship-Trainer Markus Eschbach auf ihrem Hof. Was haben sie von ihm gelernt?

Zechendorf-Hess: Von Markus und seiner Frau Andrea, welche beide schon mehrfach bei uns waren, konnte ich sehr viel lernen über die Körpersprache der Pferde, über Formen der Kommunikation mit dem Pferd, die es unnötig machen am Pferd zu zerren oder gar Gewalt anzuwenden um den eigenen Willen zu demonstrieren. Vor allen Dingen auf sich selber zu achten, zu verstehen wie sehr sich das eigene Verhalten im Pferd spiegelt, was sich natürlich auch im Umgang mit anderen Menschen genauso bemerkbar macht.

Die Eschbachs sind zwei wunderbare Menschen, die es verstehen, ihre Philosophie von der Pferdearbeit zu vermitteln ohne dabei zu bekehren.

Hektor und seine Frau Hanni. Hühner sind sehr soziale und unglaublich intelligente Wesen (Pfinztal, 17.8.2019). © Foto/BU: Zechendorf-Hess

Paschel: Markus Eschbach konnte ich ja auch schon kennenlernen. Seine Spezialität ist ja nicht nur das gebisslose Reiten, sondern das Reiten nur mit Halsring. Das Eisen im Maul und auch an den Hufen ist nach meiner Überzeugung ein Relikt, wenn nicht sogar eine Grausamkeit aus dem Mittelalter, die eigentlich heute unnötig geworden ist, wo es keine Kriegerreiter mehr gibt, die ein Pferd brauchen, das ihnen bis in den Tod gehorcht.

Zechendorf-Hess: Da gebe ich ihnen absolut recht, wenn man sich anschaut welche Schäden mit Gebissen im Maul zum Teil angerichtet werden und wenn man weiß welche Funktionen der Pferdehuf hat ist es für mich nicht mehr nachvollziehbar, dass immer noch so viele Pferdemenschen auf alt hergebrachten Dingen bestehen. Nur weil man es irgendwann mal so gelernt hat, heißt es ja nicht, dass es für immer so bleiben muss und vor allem das es gut und sinnvoll ist. So lange aber Pferde immer noch als Sportgerät betrachtet werden, viel zu früh angeritten oder auf die Rennbahn geschickt werden, befürchte ich, wird es noch eine ganze Weile dauern bis sich da wirklich etwas ändert. Umso mehr freue ich mich aber, dass es doch immer mehr Menschen gibt, welche verstehen das es sich um fühlende, verletzbare Wesen handelt und das es so viele Möglichkeiten gibt mit ihnen zu arbeiten oder das auch beide, Mensch und Tier, Spaß am gemeinsamen Tun haben können.

Artgerecht ist nach meiner Ansicht bei Haustieren immer nur eine Annäherung und je nach Tier sehr unterschiedlich. Katzen, wenn sie nicht gerade überzüchtet sind, könnten auch ohne den Menschen leben oder?

Martha kam über eine Katzenhilfe aus Sibirien zu uns (Pfinztal, Juni 2020). © Foto/BU: Zechendorf-Hess

Zechendorf-Hess: Tiere artgerecht zu halten ist natürlich sehr schwierig, das begrenzte Platzangebot als auch die Auflagen der staatlichen Stellen machen es schon zu einer Herausforderung.

Unsere Pferde sind so lange es die Witterung erlaubt 24 Stunden draußen, mit genügend Unterständen und Rückzugsmöglichkeiten. Die Koppeln sind den ganzen Tag geöffnet und sie haben fortwährend Zugang zu Wasser und Heu. Wir versuchen ihr Leben so zu gestalten, das sie Anreize haben sich zu bewegen und ihr Leben als Pferd in der Herde mit ihren Freunden zu leben, da bilden sich sehr feste Freundschaften und es ist sehr interessant zu sehen wie so eine Herde funktioniert.

Rudi 29 und Zeus 27, zwei sehr gute Freunde (Pfinztal, 4.10.2020). © Foto/BU: Zechendorf-Hess

Pferde sind nun mal Herdentiere und brauchen ihre Artgenossen, nicht nur in Sichtweite oder durch Gitter getrennt. Im Winter, wenn auch bei uns die Flächen einfach nur matschig werde, kommen sie über Nacht in den Stall. Wir haben für alle Pferde großzügige Doppelboxen geschaffen, so stehen sie trocken und wir beugen somit Huferkrankungen vor. Was ihre Frage nach den Katzen betrifft muss ich sagen, das Leid von Katzen, die auf sich gestellt sind, der vielen unkastrierten Katzen und Kater welche so viel Nachwuchs produzieren der dann jämmerlich umkommt, beantwortet es ja schon selber.

Das Zwillingspärchen Hannah und Simon welche am 29.12 2018 bei uns geboren wurden. Ihre Mama kam bereits tragend aus einer sehr suboptimalen Haltung zu uns und brachte 14 Tage später die beiden frechen Räuber auf die Welt. © Foto/BU: Zechendorf-Hess

Es ist unverantwortlich Kater oder Katzen rumstreunern zu lassen, die Tierheime sind voll und wenn man sich in manchen Ländern das Leid der Straßentiere anschaut ,einfach nur schrecklich.

Leben können diese Tiere natürlich schon ohne Menschen, die Frage ist nur zu welchem Preis… Krankheit, Hunger und Tod …es ist die Aufgabe des Menschen darauf zu achten, dass es den Tieren die sie domestiziert haben oder die sie ,,nutzen“, gut geht und auch diese ein lebenswertes Leben haben dürfen.

Es wäre wunderbar und ein Wunsch, wenn es solche Höfe wie unseren nicht geben müsste. Wenn sich jeder wirklich seiner Verantwortung bewusst wäre bevor er sich ein Tier anschafft.

Unsere Wachhunde, Gänse sind sehr wehrhaft und bewachen ihr Gelände, sie geben sofort Alarm sobald jemand den Hof betritt den sie nicht kennen. © Foto/BU: Zechendorf-Hess

Paschel: Da kann ich ihnen 100%ig zustimmen. Vielen Dank für das Interview und ihr Engagement für die Tiere.

Weiterführende Informationen: https://ag-tierschutz.wixsite.com/pfinztal

Anmerkung:

Dieser Beitrag wurde am 27.1.2021 im WELTEXPRESS erstveröffentlicht.