„Coaching mit Pferden“ – Sonja Heinrich von Horse Team Work im Gespräch mit Bernd Paschel

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Sonja mit Connemara Stute „Flame“. Nicht nur Albert Einstein, sondern auch Pferde strecken zuweilen ihre Zunge heraus. Blasbach 2021, © E. M. Bertges, BU Bernd Paschel

Wetzlar, Blasbach, Deutschland (Salon Philosophique). Die Mitglieder des HTW haben sich auf Pferdeseminaren kennen gelernt und festgestellt, dass sie dieselben Interessen und Prinzipien haben, was das Leben und den Umgang mit ihren Pferden betrifft. Sie treffen sich regelmäßig und in den Wintermonaten organisieren sie für Mitglieder und Freunde Fortbildungsabende mit unterschiedlichen Themen, wie zum Beispiel:
– Klassische Homöopathie bei Pferden
– Zahngesundheit
– Hufbearbeitung
und vieles mehr.
Sie wollen nicht nur an ihren Pferden, sondern auch an sich selbst arbeiten. Auch gemütliche Grillabende mit den Partnern und Kindern gehört ins Programm, soweit Corona das zulässt. 

Sonja Heinrich arbeitet als Gründungsmitglied der Gruppe seit 40 Jahren mit Pferden und begleitet mittlerweile viele Menschen mit ihren Pferden im Einzelcoaching, nachdem sie bei Heinz Welz die Ausbildung in der Mensch-Pferde- Kommunikation (MPK) erfolgreich abgeschlossen hat.

Das Interview

Paschel: Liebe Sonja, wir kennen uns jetzt schon ein paar Jahre und haben schon einmal ein Interview mit dem Horse Team Work durchgeführt. Wie ist es dir und dem Team seitdem ergangen? 

Heinrich: Sehr gut. Unser Team ist weitergewachsen, und seitdem hatten wir auch noch einige interessante Fortbildungen, unter anderem auch wieder mit Heinz Welz. Des Weiteren einen spannenden Vortrag über Schüssler Salze für Pferde, einen Equikinetik Kurs oder Fahrsicherheitstraining mit dem Pferdeanhänger. Alles in Einem Themen, die man nicht an jeder Ecke bekommt – Besonderes halt.

Paschel: Das ist ja sehr erfreulich. Aus meiner Erfahrung halten solche Interessengruppen ohne Vereinsstruktur nicht sehr lange, weil unter den Reiterinnen oft Streitigkeiten auftreten, wie das bekanntlich in Reiterhöfen oft der Fall ist, wo man vom Zickenkrieg spricht.

Kannst du erklären, was bei Euch anders ist?

Heinrich: Tatsächlich sehen wir uns als komplette Gruppe gar nicht so oft (leider). In 2020 z.B. haben wir uns gar nicht gesehen und nur über die sozialen Netzwerke kommuniziert. Ein geplantes Treffen im Herbst mit unseren Pferden haben wir wegen der Pandemie bis auf weiteres verschoben. Zudem sind wir alle sehr offen für „Neues“ und lassen dem Anderen auch seine Meinungsfreiheit ohne ihn zu tadeln. Im besten Fall lernst du ja dadurch Neues (und vielleicht besseres) oder aber du wirst bestätigt in dem was du schon tust.

Paschel: Du bist ja ursprünglich ausgebildet als Verkäuferin. Ist deine Arbeit als Coach jetzt Dein Hauptberuf?

Sonja liebt Schimmel – umrahmt von Percy (10 J.), Flame (15 J.) und Summit (17. J.), Blasbach 2021, © E. M. Bertges, BU Bernd Paschel

Heinrich: Nein. Ich arbeite sozusagen 50/50. In meinem Beruf als Verkäuferin arbeite ich an einer großen Kundeninformation, d.h. ich komme täglich mit ganz vielen Menschen in Kontakt. Menschen, die die verschiedensten Anliegen, Sorgen und Nöte haben. Dabei kommt mir mein Coaching Studium das ich bei Heinz Welz an seiner Akademie gemacht habe immens zugute.  

In meinem Job als Horsemanship-Trainerin hat sich der Weg zum Coach ganz automatisch entwickelt. Meiner Meinung nach sollte das bei jedem „Tier“-Trainer selbstverständlich sein, denn das wichtige Lebewesen „Mensch“ steht ja auf der anderen Seite der Führleine. Ihn müssen wir lehren wie er souverän mit seinem Tier aber auch mit sich selbst umgeht. Nicht umsonst haben z.B. alle erfolgreichen Sportler einen Mentalcoach!

Zu Beginn meiner Trainertätigkeit war ich „nur“ Pferdetrainer. Letztes Jahr hat sich dann das Pferdetraining und das Coaching die Waage gehalten und 2021 wird erstmals das „Menschentraining“ mit Coaching, Horsewalk und Führungstraining mehr sein.

Sonja mit Odin (27 J.) bei bestem Pferdewetter. Mütze und Jacke brauchen nur die Menschen, nicht die Pferde. Blasbach 2021, ©Sonja Heinrich, BU Bernd Paschel

Paschel: Ihr vom Horse Team Work tretet gemeinsam ein für den „Artgerechten Umgang mit Pferden auf allen Ebenen. Dein Coaching findet folgerichtig auch da statt, wo die Pferde zu Hause sind, in der freien Natur. Hast du bestimmte Schwerpunkte in deiner Arbeit mit Menschen? Mich interessiert besonders, wie deine Arbeit praktisch aussieht und es wäre auch für unsere Leser sehr informativ, wenn du uns einige Fall – Studien darstellen könntest, natürlich ohne Namen zu nennen.

Heinrich: Mein Schwerpunkt liegt darauf, den Menschen wieder in seine „Mitte“ zu bringen. Und da sind die Pferde – egal ob es die Pferde der Besitzer sind oder meine – eine immense Hilfe, da sie sich dem Menschen gegenüber unverfälscht (authentisch) verhalten. Es interessiert sie nicht wie du aussiehst, was du für Kleidung trägst oder wie hoch dein Vermögen ist. Als geborene Fluchttiere interessieren sie sich für dein Inneres, deine Gefühle.

Dazu drei Beispiele:

  • Thema Abgrenzung

Ein Firmeninhaber übergibt seinen kleinen Handwerksbetrieb an seinen Sohn. Der Senior hilft ab und an noch im Betrieb mit, wird aber nach und nach von seinem Sohn mit Arbeit überhäuft. So viel, dass sich schon körperliche Beschwerden ergeben. Er traut sich aber nicht seinem Sohn zu sagen, dass die ihm zugewiesene Arbeit zu viel ist.

Bei seinem Pferd zeigen sich vergleichbare Verhaltenstendenzen. Das Pferd bewegt sich recht wenig, so dass der Senior sich körperlich schon angehen muss um es zu bewegen. Auch hier fehlt die „klare, souveräne“ Ansage an sein Pferd.

Hier hat der Senior die Chance, durch sein Pferd zu lernen, klare Ansagen zu machen, und zu erleben, dass das Pferd ihn trotz seiner klaren Ansagen noch gernhat. Und es kommt noch besser, denn durch diese Klarheit ist der Senior plötzlich für sein Pferd „berechenbar“. Das heißt sein Äußeres zeigt was sein Inneres will, er ist jetzt für sein Pferd authentisch!

  • Thema Beziehung

Ein junger Mann ohne Pferdeerfahrung meldet sich für ein pferdegestütztes Coaching. Sein Anliegen – jede Beziehung die er bisher hatte ging nach einigen Monaten in die Brüche. Er selbst sieht sich als begehrenswerten Mann und versteh nicht, warum die Damen nicht bei ihm bleiben.

Wichtig ist, zu wissen, dass die Menschen die zu mir kommen sich selber eins meiner Pferde aussuchen. Um möglichst unverfälscht zu arbeiten halte ich mich da zurück. Dieser junge Mann traf also seine Wahl. Bei der folgenden Arbeit mit dem Pferd zeigte sich, dass das Pferd keinerlei Interesse sowohl an dem jungen Mann als auch an seiner Intension mit ihm hatte. Ab und an schubste das Pferd den jungen Mann auch mal zur Seite.

Für den jungen Mann war diese Erfahrung: nicht wahrgenommen zu werden, kein Interesse an seinen Anliegen zu haben und bisweilen „überrannt“ zu werden, eine einschneidende Erfahrung. Er fand eine Parallelität zu seinen gescheiterten Beziehungen, in dem er die Rolle des Pferdes hatte und seine Partnerinnen immer ignoriert und überrannt hat.

  • Selbstüberforderung

Eine Frau älteren Semesters meldet sich zum Horsewalk. Ihr Anliegen: es hakt beruflich – sie hat die Möglichkeit eine höher dotierte Stelle zu bekommen (die aber viele Schwierigkeiten mit sich bringt), liebt aber ihre jetzige Aufgabe. Wir sind zu Fuß im Wald unterwegs, sie mit dem von ihr gewählten Pferd, und ich mit einem weiteren. Also, zwei Frauen, zwei Pferde und die Stille und Energie des Waldes. Während wir so nebeneinander her walken, stelle ich Fragen um an den Kern des Problems zu kommen. An jeder Wegkreuzung frage ich sie welchen Weg sie wählen will, immer mit Hinweis wie der Schwierigkeitsgrad ist. An der dritten Kreuzung wählt sie die schwierige Variante. Schon kurz nach dieser Entscheidung stehen wir direkt im Dickicht. Es besteht die Möglichkeit umzukehren oder uns durch diesen Dschungel durchzukämpfen. Ich überlasse ihr die Wahl. Wir schlagen uns durch den Dschungel. Schon nach wenigen Metern streikt ihr Pferd. Sie hat Mühe für sich und das Pferd einen einfachen Weg zu suchen. Ihr Pferd macht noch zusätzlich Schwierigkeiten und will auf den einfachen Weg zurück. Hier findet die Verbindung zu ihrem Berufsleben statt… Möchte sie wirklich den neuen schwierigen Weg gehen oder will sie die letzten Jahre ihres Berufslebens einfach nur zufrieden sein? Durch den Walk mit dem Pferd konnte sie Klarheit für sich finden. 

Manchmal verirrt sich auch ein braunes Fohlen (Der Schimmel Flame im Alter von 2 Monaten) in den Schoss von Sonja, Blasbach 2006, ©Sonja Heinrich, BU Bernd Paschel

Paschel: Danke, lieber Sonja, Klarheit für sich selbst finden und authentisch sein. Das können uns die Pferde vermitteln.

Weiterführende Informationen bei Facebook:

https://www.facebook.com/guideforhumansandhorses/

und

https://sonja-heinrich-guide-for-humans-and-horses.jimdosite.com/

Anmerkung:

Der Beitrag wurde am 31.1.2021 im WELTEXPRESS erstveröffentlicht.