„Manager führen Pferde“ – Bernd Osterhammel im WELTEXPRESS-Exklusivinterview

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© Foto: Michael Boyny
Frankfurt am Main, Hessen, Deutschland (Salon Philosophique). Bernd Paschel interviewte Bernd Osterhammel, dem es gelungen ist, sein Ingenieurbüro in eine Traumfirma zu verwandeln – indem er Impulse, die er im Training mit Pferden bekam, auf seinen Umgang mit Mitarbeitern übertrug und dadurch viele Probleme innerhalb seines Unternehmens löste.
Bernd Osterhammel führte als Inhaber ein Ingenieurbüro im Tiefbau. In seiner unkonventionellen Mitarbeiterführung sieht der Pferdenarr den Schlüssel für seinen lang anhaltenden Erfolg. Mittlerweile gibt er seine Erfahrungen in den Seminaren „Pferdeflüstern für Manager“ weiter.

„Wer immer arbeitet wie ein Pferd, fleißig ist wie eine Biene und abends müde wie ein Hund, der sollte zum Tierarzt gehen – vielleicht ist er ein Kamel.“

* * *

Paschel: Wie mir in Erinnerung ist, bist Du nie als Turnierreiter aktiv gewesen, obwohl du schon viele Jahrzehnte mit Pferden zusammen bist. Gibt es dafür Gründe?

Osterhammel: In frühester Kindheit, unsere erstes Fjordpferd bekamen wir als ich 3 Jahre war, stand das gar nicht zur Debatte, ich durfte nur draufsitzen wenn mein Großvater das Pferd führte. Wenig später kamen Islandpferde dazu und ich lernte mehr Draufsitzen, indem ich ein Pony von der Wiese holte und versuchte draufzubleiben wenn ich einmal oben war. Die Streifzüge in Feld und Wald wurden immer größer. Mit 14 holten mich andere Ponybesitzer im Dorf, wann immer ein Pony zu sehr buckelte und ich blieb immer drauf. Irgendwann konnte ich jedes Pferd, das zu mir kam reiten, obwohl ich nie eine Reitstunde bekommen hatte. Bis ich 22 Jahre war habe ich alle möglichen Pferde in unseren Dörfern geritten, aber hauptsächlich Isländer. Dann brachte meine Frau einen Welshwallach und eine Quarterstute mit in die Ehe.

Meine Faszination für Westernpferde war geboren. An Turniere habe ich aber nie gedacht, ich war bis heute immer nur an der Einheit mit dem Pferd interessiert. Ich suche die Verschmelzung mit der uralten Faszination der Menschen zum Pferd, ihrer Kraft, Größe, Schnelligkeit und Ausdauer.

Paschel: In einer Ausschreibung zu einem Deiner Managerkurse habe ich die Sätze gefunden:

1. Vertrauen und Respekt, die geniale Basis für Leichtigkeit im Miteinander.

2. Wir wirken immer, die Frage ist wie?

3. Wer sich mit jemand anderem leicht bewegen will, sollte wissen, was ihn bewegt.

4. Talente erkennen und fördern bringt Leichtigkeit.

5. Das größte Potenzial liegt im Hier und Jetzt.

6. Angst gehört nicht in die Firma.

Im Anschluss begegnen wir erstmals auf ganz besondere Art den Pferden.

Kannst Du stichwortartig Deine Erfahrung mit Pferden dazu in Verbindung bringen?

Osterhammer: 1. Die Pferde kamen Anfang der 1990er Jahre zu mir und sagten, Bernd wir müssen mit dir Reden.

Du weißt viel über uns, du gehst anständig mit uns um, du hältst uns artgerecht, die Leute fragen dich oft um Rat … aber du könntest richtig einen drauflegen, wenn du endlich und ein für alle Male respektierst, dass wir sind wie wir sind und nicht so, wie du uns gerne hättest.

Wir ticken anders, wir denken anders, wir handeln anders, unsere Prioritäten liegen ganz anders, wir lernen ganz anders, unser Umgang mit der Zeit ist ganz anders. Und ich stieg erneut in ihre Welt ein und lernte von ihnen und von neuen Lehrern. Und wie ich sie so respektierte in ihrer Einzigartigkeit kam Respekt zurück wie ich ihn vorher nicht kannte und es entstand Vertrauen, so schnell wie nie zu vor.

So begann ich auch die Menschen in meiner Firma in ihrer Einzigartigkeit zu respektieren und sagte: sie sind wie sie sind und erforschte ihre Einzigartigkeit. Und wiederum kam großer Respekt zurück und es entstand Vertrauen, so schnell wie nie zuvor. So entstand Leichtigkeit im Miteinander mit Pferden und Menschen.

2. Eines Tages spiele ich mit einem freilaufenden Pferd im Roundpen und das Pferd fragt mich plötzlich, ob mir eigentlich im Kern bewusst ist, dass ich immer wirke. Und das Pferd hilft mir mich in ihm zu erkennen, in jedem Schritt, in jeder Bewegung wenn wir zusammen sind. Und ich lerne viel über meine Wirkung auf Pferde und erkenne meinen Anteil an unserem gemeinsamen Ergebnis immer schneller und klarer. Dann nehme ich das mit zu den Menschen und ins Leben und beginne auch hier immer schneller und klarer meinen Eigenanteil zu erkennen und damit zu spielen. Ich stelle fest, ich begegne mir selber überall, im Pferd, im Menschen, im Gegenüber, im ganzen Leben und als mir bewusst wird, dass ich immer wirke, beginne ich bewusst zu wirken und fange an in mir zu vergrößern, was mir draußen in der Welt verstärkt begegnen soll. Und so entsteht Faszination für die Zusammenhänge des Lebens und es wird wieder etwas leichter und erfolgreicher mein Leben.

3. Die Pferde haben mir bewusst gemacht, dass es Sinn macht zu wissen, was sie im Kern bewegt, wenn man sich tagtäglich mit ihnen leicht bewegen will. In der Übertragung in die Firma hieß das, ich muss wissen was Menschen im Kern bewegt, wenn ich mich leicht mit Mitarbeitern und Kunden bewegen will.

4. Als ich eines Tages ein Pferd intensiv trainiert hatte, wir beide nass geschwitzt waren und das Ergebnis schlecht war. Ging mir ein Licht auf: Mir wurde bewusst, man macht aus einem Ackergaul kein Rennpferd und anders herum auch nicht. Es gilt das Talent der Pferde zu erkennen und zu fördern und nicht an Schwächen zu manipulieren. Und siehe da die Qualität, Freude und Leichtigkeit in unserer kleinen Herde nahm enorm zu. Da wurde ich auch in der Firma zum Talentsucher und – förderer und siehe da, das Ergebnis war das Gleiche.

5. Pferde haben mich trainiert im Hier und Jetzt zu sein. Besonders die Anreitpferde und Problempferde fordern das ganze Potenzial des Ausbilders, sonst gibt es Unfälle. Zerrissen sein zwischen Gestern und Morgen ist da kontra Produktiv, es geht der Kontakt zur inneren Stimme und zur Intuition verloren, wir fühlen die Wahrheit nicht. Und ich lernte auch dem Menschen gegenüber hell wach und präsent zu sein und wurde immer erfolgreicher. Achtsamkeit und Aufmerksamkeit beschreiben die Kunst eins zu sein mit sich und allem was ist.

6. Über der Arbeit mit einem Angst besetzten Pferd wurde mir bewusst, dass mir fast das ganze Potenzial verloren geht für unsere Zusammenarbeit weil das Pferd seine Aufmerksamkeit benötigt um einen Ausweg zu finden. Ich stellte fest, dass es bei Menschen nicht anders ist und stellte mich den Ängsten meiner Angestellten um sie zu überwinden.

Also, wir müssen dringend etwas für Selbsterkenntnis und Bewusstwerdung tun. Bei den Pferden wie im Leben. Das Thema Gebiss im Maul könnte die gleichen Fragen beim Pferd hervorrufen: Ist dir eigentlich bewusst, was du gerade in meinem Maul anrichtest? Ist dir eigentlich bewusst wie du gerade drauf bist und was das für Einfluss auf deinen Umgang mit Trense und Sporen hat? Aber dummerweise hören wir die Pferde immer noch sehr selten, ihre Sprache (ohne Schmerzlaute) ist uns immer noch sehr fremd.

Und dann noch das Kernübel. Wenn wir uns selber nicht lieb haben und mit uns im reinen sind, dann Gnade Gott dem Pferd, dass wir zum Sieg reiten wollen.

Unsere innere Verzweiflung kommt garantiert über unsere Hände und dass Gebiss im Maul des Pferdes an oder über die Sporen an den Flanken…

Und natürlich, der unabhängige Sitz, die unabhängigen Hände. Da waren die Reitschüler, zum Teil schon Jahre dabei und hochmotiviert, heute noch weit von entfernt.

Puh, ich glaube wir sollten reiten verbieten. Das wäre für die Pferde das Beste.

Und was wir gerade am Thema Trense diskutieren, ist das Kernthema unserer Zeit, Bewusstwerdung für das was wir auf der Welt treiben und wozu das insgesamt führt.

Als ich das vor 15 Jahren erkannte, nannte ich meine neue Firma: Bernd Osterhammel Bewusst-Sein.

Wenn ich Deine Aktivitäten sehe, geht es Dir auch um Veränderung von Bewusstsein?

Paschel: Ja und aus meiner Sicht reichen Pferde dazu nicht aus. Ich kenne ReiterInnen, die schon 30 und mehr Jahre mit Pferden kämpfen und in ihrem Horseman-Bewußtsein eher stagnieren.

Aus meinem Beruf als Lehrer ist mir bekannt, dass viele Lehrer Ängste haben, von ihren Schülern beim „Nichtwissen“ ertappt zu werden. Die Fähigkeit zur Selbstkritik geht nur zu oft verloren mit den Jahren.

Ähnliche Erkenntnisse wie Du mit Pferden hatte ich, als ich als „vermeintlich“ kompetenter Kölner Diplomsportlehrer im Hochschuldienst in den 80er Jahren an der Uni Frankfurt mit dem „Genetischen Lehrkonzept“ des Physikers Martin Wagenschein in Kontakt kam.

Osterhammel: Kannst Du in Stichworten beschreiben, was dieses Konzept kennzeichnet?

Paschel: Gern, es ist ein erfahrungsoffenes „Lehr“konzept, das auf drei Säulen ruht: Genetisch – exemplarisch – sokratisch.

Das sokratische Prinzip der Diskussion könnten wir gleich in unserem Gespräch praktizieren

– Das einzige, was ich wirklich weiß, ist, dass ich nichts weiß -.

Das Kind (und das Kind im Erwachsenen) soll in die Lage des ersten Forschers versetzt werden, der sich selbst und seine (Bewegungs-) Umwelt selbstständig erforscht und dabei seine Autonomie entwickelt. Dabei können wir als Eltern und Lehrende auch von Kindern lernen.

Osterhammel: Wie?

Paschel: Dazu erzähle ich Dir exemplarisch eine nette Geschichte.

Auf einem Reiterhof in FFM-Niederursel, der von der Cavallo die Mistgabel des Monats und von Tabaluga wegen seiner vorbildlichen Arbeit mit behinderten Kindern durch Peter Maffay einen Ehrenpreis erhielt, war ich ein zeitlang aktiv. Das Konzept des Vorsitzenden, einem engagierten Sozialpädagogen aus der antiautoritären Frankfurter Studentenbewegung, hatte zum Ziel, Kinder aus Unterschicht-Familien aufs Pferd zu bringen nach dem Motto: „Wer viel arbeitet, darf auch viel reiten.“

Es geschah eines Tages, dass ein imposanter Wallach von 1,78 m am ungesicherten Planwagen angebunden wurde (nebenbei, der Wallach war ein Spitzenpferd der Familie Quant, BMW, aus Bad Homburg. die durch eine Schenkung von vier Pferden das soziale Engagement des Vereins für Behinderte förderte, das man heute Inklusion nennt). Er geriet in Panik, wobei er den Planwagen über den Hof zog und zwischen den Speichen der leichtsinnigerweise  dort stehenden Fahrräder der Kinder zum Stehen kam.

Ich stand in unmittelbarer Nähe und war vor Angst wie gelähmt: „Was soll ich tun?“

Ein kleines 11jähriges Mädchen mit Namen Denise kam ruhig auf mich zu und sagte leise: „Mach den Panikhaken los!“

Das tat ich dann und sie (!) führte seelenruhig das riesige Pferd aus der Gefahrenzone.

Ich glaube mittlerweile, dass viele Eltern und Erwachsene durch ihr dauerndes Besserwissen und durch die Übertragung eigener Ängste Kinder in ihrer Autonomieentwicklung ungewollt bremsen.

Osterhammel: Ja, wahrlich das stimmt! – Diese Geschichte gefällt mir!

Paschel: Zur Selbsterforschung bist Du ja anscheinend erst durch die Pferde gekommen. Wahrscheinlich hattest Du als Kind auch Eltern und Lehrer, die immer alles besser wussten?

Osterhammel: Ja, wahrlich, das stimmt!

Paschel: Das genannte pädagogische Modell von Martin Wagenschein (Physik) und Gerd Landau (Sport) ist nach meiner Einschätzung das einzige erfahrungsoffene Konzept, das die Autonomieentwicklung des Kindes wirklich ernst nimmt.

In der Sportpädagogik findet seit einiger Zeit eine Renaissance des Genetischen Konzeptes statt, weil man offensichtlich so langsam merkt, dass verantwortliches Handeln nur auf der Grundlage von Selbstbestimmung möglich ist. Nur wie kann man Autonomie vermitteln, wenn sie einem selbst fehlt, frage ich mich manchmal?

Im Reitsport gibt es wenige erfahrungsoffene Ansätze, z. B. von Anette Reichelt, die aber spätestens bei der Skala der Ausbildung von Pferd und Reiter an ihre dogmatischen Grenzen stoßen.

Dogmen und teilweise tausendjährige „Mythen“ begegnen uns fast jeden Tag auf dem Reiterhof.

Die gegenwärtige Sklavenherrschaft im Umgang mit dem Pferd, wie sie Vaclav Vydra im vorletzten Interview nennt, ist in modern geführten Wirtschaftsbetrieben zum Glück überwunden oder?

Osterhammel: Das wäre schön, wenn man das so pauschal behaupten könnte. Aber die Firmenwelt ist bunt wie die Pferdewelt. Da gibt es Chefs, die den größten Wert darin sehen, dass die Menschen in Ihrem Unternehmen gedeihen und andere die alles nach dem alten Prinzip Vogel friss oder stirb als Sklaventreiber gestalten. Aber da ich gerade nach 10 jähriger Erfolgsgeschichte mein Buch „Pferdeflüstern für Manager“ überarbeite muss ich doch feststellen, es tut sich was. Es findet in der Tat ein Umdenken und Bewusst-Werden statt. So wie die Horsemanship und Pferdeflüsterbewegung bei den Pferdeleuten Spuren zeigt die wahrgenommen werden, so machen auch immer mehr Firmen mit Wertekulturen, Nachhaltigkeitsregeln und hoher sozialer Kompetenz von sich reden. Der Fachkräftemangel fördert den nachhaltigen Umgang mit der Ressource Mensch. Vielleicht würde eine Verknappung an Pferden den Umgang mit Ihnen und die Wertschätzung ihnen gegenüber auch gut tun.

Paschel: Verknappung an Pferden durch Auflagen bei Reitern, indem man quasi einen Führerschein für Reiter einführt auf der Grundlage eines guten Tierschutzgesetzes, das vergleichbar mit der Straßenverkehrsordnung oder Verordnungen im Arbeitsrecht ist und Fehlverhalten benennt und unter Strafe stellt.

Das fällt mir dazu ein, auch wenn ich selbst eher für  Autonomie und Toleranz eintrete, nicht für gesetzliche Regelungen. Aber wenn die Toleranz repressiv den Pferden gegenüber ist, weil Reiter und Reitverbände versagen, sehe ich keine Alternative.

Das stelle ich fest seit 1969, dem Beginn meiner „Reitkarriere“ als Moderner Fünfkämpfer.

Mit gutem Beispiel voran gehen, reicht nicht aus und auch den Missbrauch von Tieren wird man nicht gänzlich abschaffen können, weil die barbarischen Anteile im Menschen evident sind.

Osterhammel: Ich denke mehr Regeln und Gesetze helfen uns nicht mehr. Das Aufdecken von Quälereien ist bestimmt wichtig, aber das wecken von Faszination ist noch wichtiger. So wie wir wach werden müssen dafür wie wir Menschen miteinander umgehen wollen, so müssen wir wachwerden dafür, wie wir mit Pferden umgehen wollen. Es sollte grundsätzlich die alte Regel gelten: Was du nicht willst, das man dir tu, das mute auch keinem anderen zu. Wir müssen in den Menschen die Lust wecken, das Paradies wieder herzustellen auf der Erde. Dazu müssen wir lernen unsere Angst zu überwinden und unsere Gedanken nicht mehr aus Angst, sondern aus dem Gegenteil speisen, der bedingungslosen Liebe. Das kommt allen zugute, den Pferden, Kindern, Menschen, Firmen, Familien….uns. Das wo Aufmerksamkeit hinfließt, das wächst, ist ein ewig gültiges kosmisches Gesetz. Ich hoffe immer, dass ich mit meinem Umgang mit Pferden und Menschen ansteckend wirke und so eine Keimzelle bin, die sich ständig teilt.

Paschel: Da würde der Tschechische Schauspieler Vaclav Vydra, den ich kürzlich im Interview hatte, Dir wahrscheinlich zustimmen. Steckt dahinter vielleicht auch ein gewisses Ohnmachtsgefühl des kleinen Mannes, der die politischen Verhältnisse nicht verändern kann?

Vaclav Vydra sagt, dass die Beziehung zum Pferd das wichtigste ist, um mit dem Halsring zu reiten. Man muss dem Pferd vertrauen können. Er spricht geradezu euphorisch davon, mit dem Pferd „ohne Alles“ in der „freien Natur“ zu reiten.

Hast du das schon einmal probiert?

Osterhammel: Ich habe nur ein Pferd soweit ausgebildet, das ich ohne Alles, überall hin reiten kann. Das ist Faszination pur. Die alte Quarterstute ist 24 Jahre und bald Rentnerin. Sie ist Enkelin, der Stute, die meine Frau vor 35 Jahren mit in unsere Ehe gebracht hat. Es gibt dazu ein video „Wege zum Traumpferd“, wo wir ab Minute 9 zu sehen sind.

Mein Nachwuchs ist gerade in Ausbildung. Gib mir noch ein Jahr…

Aber am Halsring können wir unsere eigenen10 Pferde alle reiten denke ich.

Paschel: Das Jahr gebe ich Dir! In Polen haben bereits 2014 die ersten „Polnischen Meisterschaften“ mit Halsring stattgefunden. Wenn ich die Bilder der 2. Meisterschaft 2015 dazu bei Facebook sehe, machen die Pferde überwiegend einen zufriedenen und „losgelassenen“ Eindruck. Nur die Sporen und Bandagen halte ich nicht für gesund.

Osterhammel: Die Sporen haben wir so gut wie aussortiert. Aber ich will nicht ausschließen, dass man einem Pferd auch mal damit helfen kann in einem Zwischenschritt. Eine Gerte einen Stick oder ein Seil benutzen wir oft, da unsere Arme manchmal zu kurz sind und Pferde lernen nun mal über den Körper. Aber ganz vorne an der Spitze der Gerte, hängt immer mein Herz.

Paschel: Die Gerte als Hilfe, da stimme ich Dir zu, sie verlängert meinen Arm und kann sehr gut zur Belobigung dienen. Im Wettkampf und noch mehr im Training für Wettkämpfe wird sie oft als Mittel der Bestrafung eingesetzt. Begründet wird das damit, dass Pferde untereinander auch nicht zimperlich sind.

In der Realität wirken diese feinen Hilfen mit Folterinstrumenten aus der Bronzezeit  immer auf dem Hintergrund „Wenn du nicht spurst, tut’s weh“. Wenn Du Sporen in einem Zwischenschritt für geeignet hältst. kann ich Dir leider nicht zustimmen. Mein Rat wäre in dieser Situation, Bodenarbeit, speziell das Stachelschwein-Spiel (Porcupine-Game) in den vier Stufen der Bestimmtheit. nach Pat Parelli.

Osterhammel: Da hast Du vielleicht Recht, die Geduld ist das A und O.

Meisterschaften und Turniere lösen in mir immer  ein komisches Gefühl aus. Ich traue einfach dem Ehrgeiz der Menschen nicht und ihrem Bestreben gut auszusehen und zu gewinnen.

Paschel: Deshalb kann ich diejenigen verstehen, die das Wettkampfreiten abschaffen wollen, weil das Pferd dabei unweigerlich zum Sportgerät degradiert wird.

Nicht nur bei den Sporen, sondern auch bei dem Gebiss und der Kandare werden bezeichnenderweise regelmäßig die „Feinen Hilfen“ in die Diskussion gebracht. Feine Hilfen sind für mich schmerzfrei und möglichst leicht. Solche Hilfen kann ich doch mit dem Schenkel oder dem Nasenriemen viel feiner dosieren.

Wenn ich dem Pferd durch eine harte Hilfe im Maul oder der Flanke „Blutergüsse“ beigebracht habe, reagiert es sogar noch feiner, wie es der ehrenwerte Gustav Steinbrecht in seinem Klassiker „Das Gymnasium des Pferdes“ empfiehlt. Ich nenne das eine contradictio in adjecto par excellence.

Osterhammel: Das untermauert die These, dass die Erkenntnisse der modernen Verhaltensforschung im Umgang mit Tieren – nicht nur mit Pferden –  in der zivilisierten Welt  und speziell der Konsumgesellschaft nur wenig Beachtung finden. Gefühle wie Angst, Schmerz und burn-out werden als Ungehorsam, Widersetzlichkeit und Faulheit interpretiert.

Paschel: Auch da kann ich dir zustimmen und feststellen, dass wir viel Übereinstimmung haben, nicht nur in unserem Vornamen.

Vielen Dank für das angenehme und aufschlussreiche Gespräch.

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Weiterführende Literatur: „Pferdeflüstern für Manager“ http://www.berndosterhammel.de

Anmerkung:

Vorstehendes Interview wurde im WELTEXPRESS am 02.11.2015 erstveröffentlicht.