Beschneidung des männlichen Gliedes, weil das männliche Glied und damit der Mann etwas Böses und Gefährliches ist

0
1279
Ein Jünglich. Quelle: Pixabay

Frankfurt am Main, Deutschland (Salon Philosophique). Im Artikel über die Ausstellung im jüdischen Museum „Haut ab!“ hatte ich bei meinen Betrachtungen die Traumahypothese zwar als Hintergrund der Beschneidung beschrieben, aber nicht dezidiert die Hypothese vertreten, dass die körperliche Beschneidung als Traumafolge bedeutet, dass die Männer etwas Böses sind und deswegen beschnitten werden müssen. Das männliche Glied symbolisiert den Mann insgesamt. Ich hatte diesen Aspekt völlig vergessen, so sehr habe ich mich von dem Begleitband, vor allem von dem Psychoanalytiker Blumenberg, beeinflussen lassen.

Es ist ja auch kein Wunder, da die Juden über alle Zeiten verfolgt und diskriminiert wurden, diese Untaten wie Kriege von Männern, die Frauen vergewaltigten, durchgeführt wurden, so dass das Männliche etwas Böses und Gefährliches bedeutet. Ein derartiger Mann kann und soll der jüdische Mann (als das auserwählte Volk) nicht sein. Das ist seit Moses und Abraham heiliges Volksgut. (Solange man an Gott glaubt,) Gott hat bei Abraham der Sage bzw. dem Glauben nach das Menschenopfer zur Beschneidung des Gliedes herab gemildert. Verbrechen von Männern müssen pauschal am Manne gesühnt werden. Nur so kann der Mann in die Gemeinschaft der Gläubigen laut Tradition aufgenommen werden. Die körperliche Beschneidung bedeutet also ein Sühneopfer überhaupt am Manne. Obwohl sie die Untaten an den Juden überhaupt nicht begangen haben, werden die jüdischen Männer also stellvertretend für alle Männer beschnitten, Die Juden bieten sich dadurch als Projektionsfläche an und introjizieren diese Untaten. Psychoanalytisch könnte man diesen Vorgang als projektive Identifikation eines ganzen Volkes interpretieren. Ihre Sühne, Reinigung von einer Schuld, gilt für die Verbrechen anderer an ihnen.

Da die Verbrechen an den Juden über alle Zeiten durchgeführt wurden, wurde die Beschneidung zur Selbstverständlichkeit, ist in Fleisch und Blut übergegangen und wird deshalb als Jahrhunderte, ja Jahrtausende alte Tradition am männlichen Glied des acht Tage alten Säugling ausgeübt, wo er sich noch nicht äußern kann. Man hat wohl auch die Vorstellung, dass er die Schmerzen nicht spürt. Diese These wird jedoch häufig von Medizin und Psychologie infrage gestellt. Der Mann, der die männliche Vorhaut als ein stark mit Nerven durchzogenes Organ nicht mehr besitzt, wird wohl irgendwie den Mangel spüren.

Das Wesen des Traumas ist, traumatische Erlebnisse und Erfahrungen, die die Verarbeitungskraft eines Einzelnen oder eines Volkes übersteigen, graben sich tief in das Nervensystem und in die Psyche ein. Sie entfalten sozusagen ein Eigenleben, wie im posttraumatischen Belastungssyndrom als medizinische Diagnose erfasst. Als Folge kann nicht mehr zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft und zwischen der eigenen Person und fremden Personen unterschieden, differenziert werden. Die Grenzen sind aufgehoben. Die Vergangenheit lebt weiter fort, und die traumatischen Ereignisse müssen in der Gegenwart in der Zukunft immer wieder gefürchtet werden. Außerdem findet eine Spaltung statt in entweder – oder, gut und böse, richtig oder falsch. Als Reaktionsbildung, um nicht böse zu sein, müssen die Traumata unter allen Umständen verhindert werden. Gleichzeitig wird die Sühne sozusagen als vorauseilender Gehorsam eingeführt. Die Beschneidung bedeutet also Verhinderung und Sühne zugleich.

Die Wut gegen die Aggressoren, das gilt gegenüber den anderen als auch gegenüber dem eigenen Volk, wird wie in der Eltern-Kind-Beziehung gegen die eigene Person gewandt. Da sie sich die anderen Personen als ungeprägt Wesen zu eigen machen, verinnerlichen oder introjizieren, richten sich die Aggressionen gegen die eigene Person. Sie werden zur Autoaggressionen, wie der Selbstbeschneidung. Unter dem Traumaeindruck kann außerdem nicht mehr zwischen den Personen unterschieden werden, zwischen fremden Völkern und dem eigenen Volk, Männer sind pauschal Männer, und müssen ungefährlich gemacht, kastriert oder beschnitten werden. Deswegen kommen sich manche Beschnittene halb kastriert vor.

Im Islam werde Jungen bis zur Pubertät beschnitten. Sie sind also in einem Alter, wo sie die Schmerzen voll mitbekommen und spüren, und daß ihnen Schmerzen zugefügt werden. Sie sind eher zu einem Protest fähig, es sei denn, sie sind so von der Tradition erfüllt, dass sie ihre eigene Beschneidung mittragen. Außerdem wird es in einem großen Fest als heiliger Handlung zelebriert, und sie zu etwas besonderem erhoben, ähnlich wie bei den Juden. Da bei den Moslems meist die Söhne sechs Jahre lang bei den Müttern bleiben und erst dann in die Männergesellschaft entlassen werden, können die Mutter ihre Ambivalenzen, einerseits sind sie stolz, andererseits sind sie neidisch auf ihre Söhne, da diese wesentlich mehr gelten als Frauen, an den Söhnen auslassen. Sie werden also von den Müttern ausgehend in ihrer Männlichkeit beschnitten. Außerdem sind sie rachsüchtig, da der sexuelle Missbrauch von den Vätern und den Brüdern an den Töchtern verbreitet ist, und sie vielfach traumatisiert sind.

Der Mann trägt die Beschneidung aus verschiedenen Gründen mit. Zum einen ist er von den Müttern geprägt, glaubt ihnen, das es richtig so ist – das ist tief verankert – zum anderen sind die Väter zwar stolz auf ihre Söhne, aber sie neiden ihre Söhne um ihre zukünftige Attraktivität und ihre Zukunftschancen, während sie bei sich nur den körperlichen Verfall sehen. Sigmund Freud hat zwar den Neid auf die Söhne auf die Väter beschrieben, da nur sie im Sexualakt an die Mütter herankommen. Ich sehe das aber andersrum, was eine wesentlich größere Rolle spielt. Als Beweis dienen mir die Kriege, die von den Vätern angezettelt werden, und die Söhne darin umkommen. Die Aggressionen und die Autoaggressionen werden transgenerationell mitvererbt.

Durch Mangel, durch Unvollkommenheit zur Vollkommenheit, der beschnittene Mann, so sind die Phantasien, wird besser in der Lage sein, ungehemmter, nicht gebremst durch ein Häutchen als Kopulationshindernis, sich auszuleben. Er wird also belohnt werden, religiös überhöht, wie etwa die islamistischen Attentäter mit 66 Jungfrauen im Jenseits belohnt werden.

In USA ist die Beschneidung sicherlich ein Beitrag aus so genannten medizinischen Gründen zur Gesunderhaltung. Es existiert eine starke jüdisch geprägte Oberschicht und viele dogmatische Kirchen und Sekten, und gleichzeitig haben sie fast alle einen ‚Reinlichkeitsfimmel‘. Dahinter steht ein traumatisches Schmutzverständnis, ohne Beschneidung schmutzig zu sein, was in früheren, unhygienischen Zeiten, vor allem in heißen Gegenden, auch sicherlich der Fall war. Das übt eine große Strahlkraft auf die übrige Gesellschaft aus und wird zur Mode. Das Ganze ist sicherlich noch stark durch das jeweilige religiöse Sexualitätsverständnis (s. kath. Kirche, wo in der biblischen Schöpfungsgeschichte Adam und Eva aus dem Paradies vertrieben wurden, weil sie einen Apfel vom Baum der Erkenntnis aßen, und dies zur Erbsünde wurde) bestimmt.

Das gilt allerdings nur für traumatisierte Eltern. Die Beschneidung legt Zeugnis ab, dass Juden und Moslems im Kern ihrer Völker traumatisiert sind. Bei den Moslems können wir z. Zt. erleben, wie sie in Kriegen aufeinander losgehen und ganz besonders die IS-Leute zum Menschenopfer und zur Selbstaufopferung neigen.

Bei der weiblichen Beschneidung bis zur Sexualverstümmelung, die überwiegend mittleren afrikanischen Gürtel traditionell stattfindet, steht der Glaube dahinter, dass Frauen, vulgär ausgedrückt, „sexbesessen und mannstoll „ sind. Die Beschneidung findet statt, damit sie treue und anständige Frauen sind, weil die Frauen dann nicht mehr zu einer Empfindung fähig wären. Auch möchten die Männer Jungfrauen und keine fremden Kinder ernähren. Dass seine Frau fremdgeht, muß wohl für Männer und Frauen eine traumatische Erfahrung sein und führt zu unüberbrückbaren Konflikten. Aber sie findet traditionell (und weniger zeremoniell) durch Frauen an Frauen statt, während die Männer große Mühe haben, einer Frau, die eventuell noch zugenäht ist, den Sexualakt zur Kindererzeugung zu vollziehen. Da es den Müttern auch nicht anders ergangen ist, steht dahinter, daß es den Töchtern in der Sexualausübung auch nicht besser als ihnen ergehen darf. Der Neid der Mütter auf die möglicherweise bessere Situation der Töchter muss brutal transgenerationell durch dieses grausame Ritual verhindert werden. Außerdem beneiden sie ihre Töchter um ihre Attraktivität und ihre Zukunftschancen.

Bekannte meines Versicherungsvertreters, über den ich schon mehrfach berichtet habe und der in der Kindheit sozusagen seelisch als Mann beschnitten wurde und als Folge lebenslang unter Schmerzen und Verspannungen litt, hatten sich enttäuscht über die Ausstellung in Berlin geäußert. Sie sei ihnen zu oberflächlich, und es mangele an Tiefe. Wahrscheinlich hatten sie Ähnliches gemeint. Durch eine Stunde mit ihm kam ich dazu, mir das Thema der Beschneidung noch einmal zu überlegen, vor Augen zu führen und mir die Traumaaspekte zu überdenken. Auch bin ich als Mann immer empörter, dass wir Männer etwas Böses sind, solange ich mir die Hintergründe vor Augen führe.

Durch die heilige Handlung und die Überhöhung durch die Tradition sind all diese vermuteten Hintergründe tabu und unhinterfragbar, zumindest in diesen Völkern. In anderen Kulturen und vor allem in säkularisierten besteht eine andere Rechtsauffassung, deswegen unsere Rechtssprechung. In der USA ist der Fundamentalismus weit verbreitet, deswegen ihre hohe Zahl an Beschnittenen, und ein Kölner Gerichturteil wäre nicht möglich. Bei uns ist ja schon der Schrei der Empörung groß und spaltet die Lager. Die kulturelle Akzeptanz ist laut Sander l. Gilmann entscheidend und die Zugehörigkeit in der Gemeinschaft der Gläubigen. Das Zugehörigkeitsgefühl hat Priorität gegenüber der körperlichen Unversehrtheit und den individuellen Rechten.

Ich spreche nicht aus einer antisemitischen oder antiislamischen Position heraus. Jegliche Kultur ist hochzuhalten, auch die jüdische und muslimische, wenn sie auch traumatische Hintergründe hat, wie sie auch in unserer Kultur verbreitet sind. Ich erinnere nur an den Holocaust. Einen der Hintergründe sehe ich in den meist gelesenen pädagogischen Büchern im ausgehenden 19. Jahrhundert, wo der Wille des Kindes um jeden Preis zu brechen ist. Gebrochene Menschen ließen ihre Wut dort aus, wo am meisten Anlaß zu einer Projektionsfläche geboten wurde.

Anmerkung:

Vorstehender Artikel von Dr. Bernd Holstiege wurde am 15.01.2015 im WELTEXPRESS erstveröffentlicht.