Berlin, Deutschland (Salon Philosophique). Pferde sind in der industrialisierten Welt wohl die am meisten bewunderten und geliebten Tiere. Nicht viele Menschen können sich leisten, ein solches Tier zu besitzen oder gar am Haus zu halten. Umso mehr ist es besonders bei Kindern und jungen Frauen begehrt und geradezu „abgöttisch geliebt“.
Hiltrud Strasser, Tübingen, 01.10.2013. © Hiltrud Strasser
Pferdesport „auf höherem Niveau“ (also nicht „Freizeit-Reiten“) ist nach wie vor ein Sport der Reichen und gesellschaftlich sehr angesehen, sei es Springsport, Dressurreiten, Galopprennen oder Trabrennsport.
Doch was bedeutet dieser „Sport“ der Menschen für das Tier Pferd? Es bedeutet: unangemessenen Lebensraum, Einzelhaft in Käfigen, Verlust der natürlichen Nahrung, eingeschränkte Bewegung, schmerzhafte Behandlung durch Menschen, freudloses Dasein in kurzer Lebenserwartung.
Heute brauchen die Menschen in der „1. Welt“ Pferde weder zur eigenen Fortbewegung noch zum Transport von Gütern. Es gibt technische Geräte dafür. Pferde existieren in den reichen Ländern nur noch, um die Libido von Menschen zu befriedigen, um ihrem Machtgefühl gegenüber einem ausgelieferten Geschöpf entgegenzukommen, um sich selbst mittels eines dem menschlichen Schönheitsideal entsprechenden Tieres zu profilieren.
Die meisten Pferdebesitzer oder Reiter und Gespannfahrer sind nicht in der Lage und nicht willens, mit den Tieren auf freundschaftlicher Basis zu kommunizieren, in dem sie sich um die „Sprache“ der Pferde bemühen, um sich gewaltfrei verständlich zu machen. Viel mehr machen sie die Tiere in unfairer Weise abhängig von sich, indem sie sie in langweilige Umgebung in geschlossenen Räumen („Boxen“) bringen, in der sie sich nicht selbst versorgen können und kaum Kontakt zu Artgenossen haben, sondern sich freuen, wenn die Menschen sie füttern und beschäftigen. Dabei ist die „Haltung“ in Käfigen bekanntermaßen aus vielen Gründen krankmachend und die Fütterung entspricht nicht den wirklichen Bedürfnissen der Pferde. Kurz: durch die Haltung zum Vergnügen der Menschen werden die Tiere (vorsätzlich, denn alles ist hinreichend erforscht und publiziert) geschädigt, was sich zum Beispiel in einer durchschnittlichen Lebenserwartung von nur ca. 8,5 Jahren äußert. Diese Schädigung wird billigend in Kauf genommen, weil diese Art der Pferdehaltung „üblich“ ist.
Den Pferden werden Leistungen abverlangt, die nur dem Vergnügen oder der Profilierung der Menschen dienen, aber in keiner Weise für die Tiere notwendig sind. Für diese Einforderung bestimmter Leistungen benutzen die Menschen raffiniert ausgetüftelte Instrumente, die den Pferden Schmerzen zufügen, damit das animalische Temperament gedrosselt wird oder sie eine gewünschte Körperhaltung einnehmen oder die Gliedmaßen nach Wunsch des Menschen bewegen.
Ein Pferd hätte genug Kraft, um einen Zügel oder deren Haken und Schnallen durch plötzliches Strecken des Kopfes zu zerreißen. Damit es das nicht tut und auch sonst gefügig ist, bekommt es ein eisernes „Gebiss“ ins Maul, das extrem schmerzhaft auf die scharfe, von empfindlicher Schleimhaut überzogene Knochenkante des Unterkiefers zwischen den Schneide- und Mahlzähnen drückt, sobald am Zügel gezogen wird oder das Pferd versucht, gegen einen Ausbindezügel den Kopf zu strecken. So bleibt dem Tier nichts anderes übrig, als das Maul entsprechend der Kürze des Zügels auf die Brust zu neigen, obwohl ihm dabei das Genick, der Hals und der Rücken schmerzt; aber der Schmerz im Maul durch das Eisen wäre noch größer. Bei jedem Schritt, bei jeder Erschütterung in der Bewegung schlägt das „Gebiss“ gegen die Knochenkante – eine Tortur.
Doch das ist den Menschen nicht genug! Die Qual wird perfektioniert, indem die Eisenstange („Gebiss“) aus zwei Teilen kombiniert wird, die durch ein Gelenk verbunden sind. Beim Anziehen der Zügel entsteht ein Nussknacker-Effekt auf den Unterkiefer (mit seinem empfindsamen Schleimhautüberzug) und das Gelenk bewegt sich gegen den knöchernen (ebenfalls mit empfindlicher Schleimhaut überzogenen) Gaumen am Oberkiefer. Um diesem Schmerz auszuweichen, würde das Pferd das Maul aufsperren, wie man es auf alten Abbildungen von Reiter und Pferd oft sieht. Heute ist das unerwünscht und man verhindert das Maulsperren, also die Schmerzvermeidung, mittels eines Riemens um das Maul, einige Fingerbreiten über den Nüstern. Das Pferd ist also nicht in der Lage, seinen Kopf anders zu halten oder zu bewegen als es der Pferdelenker oder Reiter haben will. Der Anfänger lernt in der Reitstunde: „das Pferd soll keine Bewegung machen, die der Reiter nicht vorgibt.“ Seit mehreren tausend Jahren gibt es Ideen, wie ein Pferd sich bewegen soll.
Wer sein Pferd beim Turnier mit Trense, oft zusätzlicher Kandare und Sporen am besten im Griff hat (wer also das Pferd mit Schmerzen zu Höchstleistungen gebracht hat), bekommt Sieg, Ehre und Applaus, von Zuschauern, Richtern, Turniertierärzten und den Medien.
Die wenigsten Reiter oder Kutschfahrer machen sich Gedanken um diese Praxis. Es wurde ihnen als Kind oder Anfänger so gezeigt, mit der einzigen Begründung: man macht das so, es ist so richtig und nötig. Und die Menschen lieben doch ihre Pferde so sehr und „tun alles für ihre Pferde“, zum Beispiel krankmachende Pferdedecken und Leckerli kaufen und darauf achten, dass die Satteldecke farblich zum Reitdress passt.
Da wir heutigen zivilisierten Menschen in selbständig denken können, ist es für jeden „Pferdesportler“ – auch wenn er falsch angeleitet wurde – möglich, diese Quälerei zu durchschauen – sofern er sich Gedanken um das Tier macht und nicht nur um seinen Sport.
Die „Baby“-Rennen der Zweijährigen Fohlen (Pferde wurden früher nicht eher als im Alter von 5 Jahren, wenn sie körperlich ausgewachsen sind, in Training genommen) auf den Rennbahnen, der schädliche Hufbeschlag, die Sporen und besonders grausame Trainingsmethoden im „Trabrennsport“ wurden hier nicht einmal erwähnt.
Und was passiert mit solchen Pferde, die sich solchen Torturen dauerhaft widersetzen, sich zum Beispiel gegen die Zäumung, gegen den Sattel und Reiter oder gegen eine bestimmte zwanghafte Körperhaltung wehren? Sie “kommen weg“, werden getötet.
Was soll man vom (weltweiten) Tierschutz halten, der gegen diese Pferdequälerei nichts sagt oder unternimmt, nicht einmal zur Aufklärung beiträgt? Dabei ist seit Jahrhunderten auf diese Drangsale von hervorragenden Denkern hingewiesen worden (z.B. vom Tierarzt Bracy Clarc, UK, J. Swift:„Gullivers Reisen“; Schiller: „Pegasus im Joche“ u.a.) Prof. Dr. R. Cook, USA, hat wissenschaftlich Forschung auf dem Gebiet „Effekte des Eisens im Pferdemaul“ betrieben und vielfach darüber publiziert.
Pferde sind empfindsame Wesen, die Freude, Schmerz, Trauer, Befriedigung, Eifersucht, Hunger, Liebe und Zuneigung oder Abneigung kennen und das Bedürfnis haben, sich entsprechend zu verhalten. Woher nehmen sich Menschen das Recht, den Tieren diese Erlebnisse zu verwehren? Unser Tierschutzgesetz erlaubt das ausnahmsweise, wenn ein „vernünftiger Grund“ vorliegt. Ist die Gaudi einiger Menschen etwa heute ein „vernünftiger Grund“ um Tiere quälen zu dürfen?
Wie nennt man das, wenn ein Mensch ein Lebewesen liebt oder begehrt, es zu sich holt und Freude und Befriedigung in dessen Erniedrigung und im Quälen dieses unterlegenen Geschöpfes empfindet? Nennt man das nicht „Sadismus“? Und das Publikum und die Medien applaudieren, die Tierärzte untersuchen Puls und Atmung, machen beim internationalen Pferdesport wohl auch Dopingkontrollen und schauen, ob kein Blut fließt und kein Pferd auf einem Bein mehr Schmerzen hat als auf den anderen, also lahm ist. Da Tierärzte die Körpersprache der Pferde nicht verstehen, erkennen sie nicht die schmerzhaften Verkrampfungen des ganzen Körpers oder einzelner Bereiche, genau so wenig wie sie wissen, welche Qualen das Eisen im Maul oder die anderen „Hilfen“ bereiten, und sie unternehmen nichts dagegen.
Es sei darauf hingewiesen, dass es in allen Teilen der Welt auch Pferdehalter gibt, die sich „auf Augenhöhe“, respektvoll und auf Vertrauensbasis mit den Tieren beschäftigen, ohne die Natur der Pferde zu vergewaltigen oder dem tierischen Partner Schmerzen zuzufügen. Aber diese Art des Umgangs mit den Pferden ist nicht „salonfähig“, wird von der „Gesellschaft“ nicht anerkannt bzw. als Zirkusnummer abgetan, obwohl das die einzige ethisch vertretbare Weise ist, mit Pferden gemeinsam Sport zu treiben.
Scharfe Knochenkanten des Unterkiefers zwischen Mahlzähnen und Schneidezähnen, die mit empfindlicher Schleimhaut überzogen sind.
Literatur:
Cook, W.R.: Headshaking in the horse, Part I u.2, Equine Pract. 1, USA, 1979
Headshaking in the horse, Part 3 u. 4, Equine Pract. 2, USA 1980
Pathophysiology of Bit Control in the horse, J. Equine Vet. Sci. 19, USA, 1999
Bit-induced Pain: a cause of fear, flight, fight and facial neuralgia in the horse, Pferdeheilkunde 19, o.O., 2003
Preuschoff, H.U.,Lesch,C.: Auswirkungen verschiedener reiterlicher Hilfsmittel auf das Pferd. Pferdeseminar des Landestierschutzverbandes Baden-Württemberg, 1995
Strasser, H., Cook, W.R.: Eisen im Pferdemaul, Knirsch-Verlag, 2003
Swift, J.: Gulivers Reisen, o.O., o.J.
Vogt, M.: Befreie dein Pferd, Cadmos Verlag, Schwarzenbek 2006