Frankfurt am Main, Deutschland (Salon Philosophique). Nachfolgend eine Betrachtung aus der Traumaperspektive.
Altes Testament
Ist es, die Bibel unter mythologischen Gesichtswinkel zu betrachten, nicht für viele, vor allem fundamentalistische Christen ein Sakrileg, eine Ungeheuerlichkeit? Sicher, aber gerade Traumatisierte neigen in allen Religionen zu fundamentalistischem Glauben und Sekten, in denen es nur eine und einzige und ewige Wahrheit gibt und geben darf. Ihre Kreuzzüge brachten und bringen noch viel Unglück über die Menschheit. Für mich hat die Bibel aus der Sichtweise der Traumatisierung eine zentrale Aussagekraft für aktuelle zwischenmenschliche Konflikte und an der Schöpfungsgeschichte lassen sich sehr schön die Gesetze der Traumatisierung und ihre Folgezustände ablesen. Ein christlicher Glaube der Nächstenliebe soll bei dieser Betrachtung aus der Traumaperspektive nicht in Frage gestellt werden. Für viele Christen und andere Religionen ist die menschliche evolutionäre Entwicklung über Millionen Jahre nach einer Auswahl dessen, was sich im jeweiligen Umfeld bewährt und überlebt hat, schwer vorstellbar. Für sie muß es infolgedessen für dieses komplexe Wesen Mensch und die komplexe Welt einen geistigen Schöpfer geben, der über allem steht, wenn er mit naturwissenschaftlichen Methoden auch nicht nachweisbar ist, in ihren Augen jedoch auf geistigem Wege, den sog. Gottesbeweisen. Dieser Schöpfer wird Gott genannt, neuerdings auch intelligent design.
Die Schöpfungsgeschichte
„Im Anfang war das Wort… und das Wort war bei Gott… überall herrschte Dunkelheit, da war Gott. Da sprach Gott, es werde Licht …. er schuf Tag für Tag die Erde“. Am Anfang ist das Wort und das Wort ist bei Gott. In der biblischen Schöpfungsgeschichte sehe ich eine Allegorie zum schwer traumatisierten menschlichen ontogenetischen Werdegang des Individuums wieder gespiegelt. Sie ist für mich ein gutes und grundlegendes Beispiel der Vorgänge einer Traumatisierung über Generationen hinweg.
Folgende Aspekte der biblischen Schöpfungsgeschichte möchte ich herausgreifen:
1. die Dunkelheit der bedrohlichen Vorerfahrung Gottes und der Eltern, personifiziert im Teufel
2. die Gegenmaßnahme des Wortes als Verhinderungsstrategie
3. die Wiedererkennung des Teufels in alltäglichen Situationen , verbunden mit einer Außenverlagerung
4. Selbsterkenntnis und –bestimmung als Bedrohung der absoluten Sicherheit und als frevelhafte Gottgleichheit. Aspekte des Neides und der Gleichheit
5. Verbot alles Lustvollen
6. dadurch die Verführung zur Übertretung
7. der Sündenfall als Erbsünde über Generationen hinweg
8. das Irdische Jammertal, das der Erlösung harrt
9. Eva, das Weib als die Böse
1. Während im griechischen Mythos die katastrophalen Vorereignisse noch erwähnt sind, wenn auch das Wesentliche der Erzählung in den Folgen geschildert wird, sind in der Biblischen Schöpfungsgeschichte die katastrophalen Vergangenheitserfahrungen und Verletzungen von Gott völlig verleugnet, aus welchen Gründen Gott zu seinem Wort kommt. Hinsichtlich der Motive und Hintergründe des Wortes herrscht Dunkelheit. Aber durch dieses Wort wird die Welt, im Lichte einer bestimmten Welt auf dem Hintergrund der Traumatisierung, geschaffen. Dies entspricht dem Alltag, daß für traumatisierte Eltern über die Gründe ihrer Gebote und Verbote Dunkelheit bzw. keine Wahrnehmung herrscht und sie die Gründe deswegen nicht benennen können. Sie sind verleugnet, unaussprechlich und unhinterfragbar. Falls sie die Gründe benennen würden, wären unter anderen Umständen und in anderen Zeiten ihre Gebote und Verbote in Frage gestellt und ihr absolutes Wort und ihre Herrschaft wären gebrochen.
2. Je existenzbedrohender die Erfahrungen Gottes und der Eltern sind, desto mehr muß eine absolute und sichere Welt, das Paradies, dagegen gesetzt und mit allen Mitteln in den Geboten und Verboten verteidigt werden in der Bibel wie im menschlichen Alltag. Diese Welt stellt das göttliche und absolute Wort dar, das, da die Zusammenhänge und Hintergründe tabuisiert sind, als Wort über allem schwebt. Im Angesicht und der Erwartung der Bedrohung ist naturgemäß alles auf die Verhinderung ausgerichtet. Die Folge sind absolute Kontrolle und Macht, das unantastbare Wort, die Gebote und Verbote, die zum Göttlichen und zur Religion erhoben werden, und die Spaltung in Gott und den Teufel, das Paradies und die Hölle. Gott und der Teufel sind Gegensatzpaare als Folge der Spaltung. Zur Hölle der traumatischen Erfahrung entsteht immer ein Gegenbild des paradiesischen Zustandes des Glücks und der Unverletzlichkeit gegenüber dem Trauma. Allerdings – im Guten, Schönen, dem Paradies stecken sozusagen der Teufel, da der Bedrohung der Idealzustand entgegen gesetzt wird.
Inwieweit das Wort über alle Zeiten und Umstände gilt, dazu möchte ich eine kleine Geschichte erzählen: Ein Student konnte wegen Ängsten nicht ins Examen gehen. Zur Vorgeschichte erzählte er, der Vater sei ständig fremd gegangen und habe dies der Mutter vorgeworfen. Später habe er sich von der Mutter getrennt und neu geheiratet. Beide Söhne durften die Mutter nicht im Stich lassen. Das Examen hätte einen Selbstständigkeitsschritt von der Mutter weg bedeutet. Als ich den Gedanken äußerte, jetzt sei die Mutter frei und könne sich einen neuen Mann suchen, dann seien auch die Söhne frei, sagte der Patient “ das würde die Mutter nie tun, dann hätte der Vater ja recht gehabt „. Folgerichtig ging der Patient keine Therapie ein.
3. Ursprünglich ist das Trauma, die Verletzung Gottes und der Eltern, der Teufel, über den Dunkelheit herrscht und der im Lichte des Wortes nach den Gesetzen der Traumatisierung überall im Alltag in und an alltäglichen Dingen und Vorgängen und in analogen Situationen (sog. Triggersituationen im PTBS) erkannt und festgemacht wird und diese dadurch zur Bedrohung hochstilisiert werden. In diesen ähnlichen Situationen werden nur die Gemeinsamkeiten wahrgenommen und Unterschiede aufgrund des Verlustes der Wahrnehmung von Unterschieden, somit der Dunkelheit, nicht wahrgenommen. Dieser Vorgang entspricht der alltäglichen Tatsache, daß der im Inneren steckende, in den Nervenzellen eingeprägte Teufel des Traumas in der Außenwelt überall in Alltäglichkeiten gefürchtet wird, die somit eine Bedrohung darstellen. Der Verlust der Wahrnehmung der Unterschiede und Differenzierungen zeigt sich im Hirn als Verlust der Nervenfortsätze und -verästelungen, Nervenverbindungen und Veränderungen der chemischen Botenstoffe, wie neurobiologische Untersuchungen und hochauflösende bildgebende Verfahren zeigen. Aus dieser Sicht ist der Gott, absolute Herrscher oder Tyrann sozusagen ein Gehirnkrüppel. Unterschiede zwischen der früheren traumatischen Situation und späteren ganz anderen, u. U. harmlosen Situationen können nicht mehr wahrgenommen werden. Die Angst oder Panik vor narzißtischen Entwertungen wie Fehlern oder Versagen, die aus der Vergangenheit stammen, werden folglich in der Zukunft, das innen drin Steckende wird von außen gefürchtet. Durch die Traumatisierung entsteht eine massive Verletzlichkeit oder Vulnerabilität, und der Verletzte ist auf optimale stabilisierende Außenbedingungen angewiesen
In der Bibel ist diese harmlose, alltägliche Situation das Essen eines Apfels und wird als Verführung des Teufels von innen nach außen projiziert bzw. delegiert, delegiert dadurch, daß die Worte und Gesetze, die ursprünglich von Gott und den Eltern und aus der Selbstbestimmung des Kindes kommen an eine Außenperson, den Teufel, verlagert werden. Gott ist dadurch schuldlos, während das Kind als schuldig in Delegation von Gott stigmatisiert wird. Das Kind, Eva, und der Teufel sind insofern Stellvertreter Gottes.
Eltern, deren Kinder die Verbote übertreten, sehen die Gründe als Verführung der Außenwelt. Im Alltag kann dieser Teufel ein anderes Leben, andere Gesetze, reizvollere Vorbilder, oft freier und dadurch unberechenbarer gestaltet, in dem die traumatisierten Eltern die Gefahren fürchten. Eigener Wille, Eigengesetzlichkeit und Selbstbestimmung der eigenen Handlungen können nicht aus der eigenen Person, sondern nur von außen kommen. Das sind die Einflüsterungen des Teufels, werden also externalisiert. Es ist ja auch real, daß das Kind durch äußere Einflüsse Anregungen erhalten kann und den Eltern nicht mehr gehorcht, besonders heftig ab der Pubertät umkämpft. Dann sind diese Wünsche durch äußere Vorbilder zwar angeregt, aber diese eigenen Wünsche kommen von innen heraus.
4. Dieser Tat werden zusätzlich frevelhafte, teuflische Eigenschaften zugeschrieben wie frevelhafte Gottgleichheit und der Baum wird zum Baum der Erkenntnis hochstilisiert. Durch die Hochstilisierung des Wortes als das des Gottes werden andersartige Aussagen als Gottgleichheit gesehen. In Selbstbestimmung, eigenen Erkenntnissen wird Ungewißheit und die existentielle Bedrohung gefürchtet, und sie sind somit das Böse. In der Bedrohung können unterschiedliche Interessen, Wünsche und Handlungen nicht als gleichberechtigt nebeneinander stehen und zugelassen werden und werden deshalb als frevelhafte Gottgleichstellung interpretiert. Also ist absoluter, blinder (oder Kadaver)Gehorsam gefragt.
Ein weiterer Aspekt ist der des Neides und der Gleichheit und Gerechtigkeit, von Unter- und Überlegenheit. Gott und die Eltern sind ausschließlich auf die Verhinderung des Bösen fixiert und haben keinerlei Raum, Freiheit und Selbstbestimmung. Falls die Kinder sich dies nähmen, nähmen diese sich etwas heraus, was für die Eltern nicht möglich wäre, wären überlegen und Gott, der über allem steht, unterlegen. Das ist nicht zulässig, wäre ungleich und ungerecht. Dann hätten sie es besser als ihre Eltern, wenn diese in der Ambivalenz, schließlich wollen alle Eltern für ihre Kinder nur das Beste, dies auch noch so sehr wünschen.
5. Lustvolles und Verführerisches, hier der Apfel, wie alles im Bereich der Sexualität und dessen Äquivalenten animieren besonders zur Selbstbestimmung und werden deswegen vor allem als Bedrohung angesehen. Fundamentalistische Christen sind deswegen sehr lustfeindlich. In meiner katholischen Erziehung galt Onanie noch als Todsünde, laut Mythos im Todesfalle mit der Hölle bestraft, normalerweise für den Jugendlichen der einzige Grund zur Beichte und somit Existenzberechtigung des Beichtvaters, heute laut Sexualwissenschaftlern notwendig zur psychosexuellen Reifung.
6. Nun ist der eigene Willen, eigene Bedürfnisse, Interessen und Ziele meiner Ansicht nach eine ureigenste menschliche anlagemäßige Eigenschaft und muß deswegen um jeden Preis aufrecht erhalten werden. Deswegen wird so hart darum gekämpft. Als Folge ist es zum Selbsterhalt eine menschliche Eigenschaft, gegen Verbote, deren Sinn nicht erklärt wird, die in der gegenwärtigen Realität unsinnig sind und die überhaupt die menschliche Anlage der Selbstbestimmung übergehen, zu verstoßen. Darüber hinaus werden das Verbotene und die Übertretung selbst besonders reizvoll. Das Kind wird wie Eva also regelrecht zur Übertretung und zum Verstoß provoziert bzw. verführt. Im Verbot steckt also die Verführung des Teufels, von Gott und den Eltern selbst geschaffen. Die Nichtrespektierung des Willens des Kindes provoziert also Gegenreaktionen wie Trotz, Verweigerung, Sabotage und Gegenbeweise, die also die Gebote und Verbote beinhalten und durch das selbstbestimmte Handeln als Gottgleichheit angesehen werden. Das Übertreten der Gebote und der Trotz stellen das Böse, den Teufel dar. Das Brechen des eigenen Willens, keinen eigenen Wert und keine eigenen Rechte zu besitzen, nicht ernst genommen zu werden und die fehlende Förderung und Verurteilung eigener Wünsche, Absichten und Ziele, also der Selbstbestimmung und Freiheit, sehe ich als eine weitere grundlegende Traumatisierung an. Im Alltag ist der eigene Willen von Drohungen, Negativprophezeiungen und Strafen begleitet.
7. Da das Kind noch kein eigenes Welt- und Selbstbild aufgrund eigener Erfahrungen, Bewertungen und Bedeutungen besitzt, ist es von den Überzeugungen der Eltern und mit den Verboten der Gotteltern identifiziert, die ja in besten Absichten böses verhindern wollen, und verinnerlicht die eigenen Verstöße als Schuld und Sünde, wofür es bestraft wird. Das Kind wie Eva gerät in einen unauflöslichen inneren Zwiespalt, einerseits mit den Eltern identifiziert zu sein, andererseits dagegen verstoßen zu müssen. Die Strafen wird es trotz der Schmerzen als gerecht empfinden. Die Übermittlungen und Prägungen über Generationen spiegeln sich in dem Bild der Erbsünde wieder. Traumatisierte Kinder geben ihre Traumata schließlich an die nächste Generation weiter.
8. Die existentielle Vorbedrohung Gottes und der Eltern und der Anspruch an die Umwelt, dies zu verhindern, wird zu einem Anspruch und einer Forderung an die Kinder. Diese haben ihre Eltern vor den Bedrohungen zu schützen und dadurch die Verbrechen der Vorfahren auszugleichen, wieder gut zu machen und dafür gerade zu stehen, für Dinge, die nicht ausgesprochen werden und die sie nicht kennen können, wie sich gerade in der biblischen Schöpfungsgeschichte zeigt. Falls sie sich nicht an die Gebote halten und Verbote übertreten, sehen Gott und die Eltern in ihnen die Gründe der Bedrohung. Dazu ein typischer Satz „Du machst mir solche Sorgen, Kummer und Ärger!“ für Dinge, um die sich andere nicht traumatisierten Eltern keinerlei Sorgen machen. Diese Konflikte mögen sich um die Nahrung, Ordnung und Sauberkeit, Gesundheit, Benehmen oder um Noten in der Schule abspielen.
In alten literarischen Überlieferungen und Märchen wie dem Faust wird oft die Seele an den Teufel verschrieben, um Glück, Macht und Reichtum zu erlangen. Dies entspricht dem Alltag, wenn das Kind seine Selbstbestimmung aufgibt, um den Eltern keine Probleme zu bereiten und ihnen zu gefallen, also von ihnen den Reichtum der Liebe und Anerkennung zu erhalten. Gleichzeitig erhält das Kind Macht über die Eltern, da deren Wohlbefinden von dieser Selbstaufgabe und Unterwerfung abhängt.
Ein Dilemma bzw. eine Beziehungsfalle entsteht durch die Selbstaufgabe durch Anpassung und Unterwerfung, dadurch aber des Wohlwollens der Eltern gewiß zu sein, andererseits durch die Stigmatisierung des Bösen und die Schuld des Lebens nicht mehr froh werden zu können. Im Angesicht vielfältiger Bedrohungen, ausgelöst durch das über allem schwebende Wort und die Erbsünde, wird das Leben wie im biblischen Mythos zum Irdischen Jammertal, das der Erlösung, personifiziert in Jesus Christus, harrt. So wie als Folge einer ursprünglichen Traumatisierung Sünde und Schuld von Gott geschaffen wurden, kann die Erlösung nur durch Gott stattfinden. Es wäre eine frevelhafte Gottgleichheit, sich selbst oder durch menschliche Hilfe aus der Erbsünde und dem Irdischen Jammertal heraus zu führen.
9. Daß Eva, das Weib die Böse ist, beschreibt auch die Tatsache, daß in den meisten Kulturen die Frau und Mutter als hauptanwesende Person die Erzieherin und Prägerin des heranwachsenden Menschen ist und somit sie infolge ihrer teuflischen Einflüsterungen als Folge ihrer eigenen Traumatisierungen die Böse ist. Meiner Ansicht nach fanden deswegen die Hexenverbrennungen statt, das Symbol Hexe stellvertretend für die böse Mutter. Man könnte die Stigmatisierung Evas und der Frau auch als Rache an den Müttern ansehen.
Daß es sich um einen männlichen und nicht einen weiblichen Gott handelt, gehört zum patriarchalischen, christlichen Weltverständnis. Dieses halte ich für eine Verleugnung der Macht und des Einflusses der Mütter, gleichzeitig für eine Verschiebung von der Mutter auf den Vater, zu dem mehr Distanz besteht, weil sich viele Väter nicht so sehr um die Prägung und Erziehung ihrer Kinder kümmern, ihre Gebote und Gesetzte nicht so sehr im Kind stecken, dadurch besser wahrnehmbar sind und nicht eine so starke existentielle Bedrohung darstellen. Die Mutter hat sich stärker durch ihre Nähe und ihre alltäglichen Verhaltensweisen, für das Kind nicht wahrnehmbar, in dessen Selbst eingepflanzt und diese werden zu einem Teil das Selbst des Kindes
Als Folge der Erbsünde und des Irdischen Jammertales werden verschiedene Geschichten erzählt wie die von Sodom und Gomorrha, der Sintflut, der Gefangenschaft und des Leidens in Ägypten und des Hiob. Der Volksmund spricht von Hiobsbotschaften. Ein Beispiel für den beabsichtigten Sohnesmord ist die Geschichte von Abraham und Isaak. Der Vater ist zur Verhinderung von Bedrohungen und zur Verherrlichung Gottes sogar bereit, seinen eigenen Sohn zu opfern.
Kain und Abel
Ein alltägliches Beispiel der Spaltung des guten und bösen Kindes stellt die Geschichte von Kain und Abel dar. Die Vergabe des Wohlwollens von Gottvater durch Bevorzugung und Benachteiligung seiner Söhne erzeugt beim Benachteiligten eine solche Wut, und zwar nicht auf den Verursacher, dieser ist als Gott unantastbar, da er das Ziel der Anerkennung ist und somit nicht angegriffen werden darf, daß er auf seinen Bruder los geht und diesen erschlägt. Dieser Sachverhalt, wohl nicht so tödlich, findet sich in Familien alltäglich wieder, wo Neid und Eiferssucht unter den Kindern erzeugt werden und diese aufeinander losgehen, sich streiten, dieser unterdrückt und dadurch gesteigert wird. Kürzlich sagte ein Patient, es gebe 2 Varianten, sein Vater herrsche mit Schuldgefühlen, die Mutter mit Gegeneinander-Ausspielen.
Ich sehe die Schuldzuweisung unter dem Aspekt der Abwehr von Scham. In einem für alle Seiten peinlichen Geschehen erlöst die Schuld von Scham – für Gottvater, aus welchen Gründen bei sich selbst er es nötig hat, sich zum Maßstab aller Dinge hoch zu stilisieren, den einen Sohn aufzuwerten und den anderen fertig zu machen, für jeden der Söhne, daß sie diese Bewertungen einfach übernehmen und daran glauben, wie dies zwangsläufig mit Kindern geschieht, statt den Vater an seine eigene Nase zu fassen, der eine wird verführt, muß aber seinen Absturz im späteren Leben fürchten, wo er zum Normalmaß zurechtgestutzt wird, der andere übernimmt solche blödsinnige Bewertungen und Stigmatisierungen und bestätigt sich in der Rolle des Bösen – wird die Schuld auf einen abgewälzt, wodurch die übrigen entlastet sind. Dies entspricht einem weit verbreiteten Gruppenphänomen der Sündenbockrolle oder dem Schwarzen Schaf.
Anmerkung:
Vorstehender Beitrag von Bernd Holstiege wurde im WELTEXPRESS erstveröffentlicht.