Pferde, Landwirtschaft und Tierschutzpolitik – Die Tierärztin und Landwirtin Dr. Ute Axt im Exklusivinterview

0
1096
Ob groß oder klein, ob weiß oder gelb, ob aus Holstein oder Shetland, wenn der Geruch stimmt, können alle Pferde Freunde sein, Staufen 2014, ©Ute Axt, BU Bernd Paschel

Frankfurt am Main, Deutschland (Salon Philosophique). Die Tierärztin Ute Axt stammt aus einer echten „Pferdefamilie“. Ihr Großvater war Gestütswärter in Trakehnen und ist mit den Pferden geflüchtet, ihr Vater war Turnierreiter und Züchter und so war auch sie von Kindesbeinen an mit Pferden vertraut. Ihre Eltern führten eine Landwirtschaft (Mutterkühe & Rinder mit Selbstvermarktung) und eine kleine Trakehnerzucht (3 – 4 Stuten) . Schon als Jugendliche war sie verantwortlich für das Einreiten der Remonten (jungen Pferde) für den Verkauf.

Jetzt lebt sie in Staufen (Schwarzwald), wo sie 2011 eine Pferdepension mit artgerechter Pferdehaltung im Aktivstall gegründet hat. Sie engagiert sich für den Natur- und Tierschutz in der Landwirtschaft als Mitglied bei den Tierärzten für verantwortbare Landwirtschaft (TfvL) , der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz e.V. (TVT), der Vereinigung der Freizeitreiter Deutschland e.V. (VFD) und der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL). Seit 2019 ist sie als Kreisrätin im LKR Breigau-Hochschwarzwald für die Grünen aktiv und Delegierte in den beiden Landesarbeitsgruppen Landwirtschaft und Tierschutz.

Ute Axt mit ihrer Stute „Al Ashara“ und deren Tochter „Al Ashanuri“ beim Ausritt, 2017 ©Ute Axt ,BU Bernd Paschel

Das Interview

Paschel: Liebe Ute, bevor wir zum Thema unseres Interviews kommen, der „Artgerechten Haltung von Pferden“, lassen sie uns kurz über den erneuten Aufschwung der Grünen sprechen. Wie geht es ihnen dabei, dass eine parteilose Schülerin, Greta Tunberg, mit ihrer Bewegung „Friday for Future“ maßgeblich dazu beiträgt, dass ein ursprüngliches Grünen-Thema sozusagen außerparlamentarisch wieder auf die Tagesordnung kommt?

Dr. Axt: Ich finde es bewundernswert, was dieses Mädchen erreicht hat, Chapeau! Es ist zu großen Teilen ihr Verdienst, dass das Thema „Klima- und Umweltschutz“ in der Gesellschaft und auch bei der Jugend endlich den richtigen Stellenwert hat. Es ist zu wichtig, um es einer einzelnen Partei zuzuordnen, schließlich geht es um die Lebensgrundlage von uns allen.

Paschel: Der bekannte Journalist aus den 70-er und 80-er Jahren Horst Stern, Tierschützer, Reiter und Mitglied der Grünen, ist wie auch andere, z. B. Barbara Rütting, enttäuscht bei den Grünen ausgetreten, weil ihnen der Tierschutz nicht mehr genug gewürdigt wurde.

Horst Stern hat 1973 schon ein Buch über den Missbrauch der Pferde im Sportreiten „Bemerkungen über Pferde“ geschrieben, das kürzlich wieder neu aufgelegt wurde, Haben die Grünen den Tierschutz vernachlässigt?

Dr. Axt: Die gesamte Gesellschaft hat dieses Thema in der Vergangenheit zu wenig beachtet. Diesen Fehler haben die Grünen durch Mitglieder korrigiert, die darauf aufmerksam machten, sozusagen den Finger in die Wunde legten. Stattdessen auszutreten, halte ich für den falschen Weg. Mich animiert eine solche Situation zum konkreten Handeln, nicht zum Weglaufen.

Bei dem Thema „Tierschutz“ denken viele zuallererst an die eng mit dem Menschen lebenden Heimtiere wie Hunde und Katzen. Die landwirtschaftlichen Nutztiere inkl. der Pferde werden in dieser Hinsicht vernachlässigt. Es gibt genügend Beispiele von Menschen, die für Straßenhunde in Spanien viel Geld spenden, dann aber das Putenfleisch beim Discounter im Billigangebot kaufen. Das liegt zum großen Teil auch daran, dass die agrarindustrielle Tierhaltung heutzutage absichtlich im „Unsichtbaren“ stattfindet (= für die Öffentlichkeit geschlossene Ställe) und die Mehrheit der Bevölkerung den direkten Kontakt zur Natur, Landwirtschaft und Nutztierhaltung verloren hat. Die Grünen sind hierbei keine Ausnahme, insbesondere in den urbanen grünen Hochburgen, wie z.B. auch Freiburg, stammen die wenigsten Grünen-Wähler vom Land. Auch haben die Wenigsten schon einmal einen Schlachthof von innen gesehen.

Paschel: Pferde werden in D heutzutage aber nicht mehr zur Fleisch- oder Milchgewinnung, für die Kavallerie oder als Arbeitspferde in der Landwirtschaft gehalten. Sie sind vielmehr Freizeit- oder Sportpartner und werden wohl von den meisten BesitzerInnen und ReiterInnen fast schon „mütterlich“ umsorgt und bestens gepflegt. Wo ist da ein Tierschutzproblem?

Dr. Axt: Pferde sind seit Millionen von Jahren an das Leben in der Steppe angepasst. Daran haben auch die 3000 Jahre Zucht und Nutzung durch den Menschen nichts geändert. Die grundlegenden physiologischen und artgerechten Bedürfnisse eines Pferdes sind damit allerdings völlig konträr zu denen von uns Menschen, die wir geschützte „Höhlen“ bevorzugen. Leider neigt der Mensch/Tierbesitzer jedoch dazu, seine Bedürfnisse und Verhaltensweisen auf die Tiere zu projizieren. Was uns gefällt und angenehm ist, kann für ein Pferd zur Quälerei ausarten.

Paschel: Können Sie uns dafür ein Beispiel geben?

Dr. Axt: Nehmen wir z.B. die ersten kühleren Regentage im Herbst/Winter. Wir Menschen mummeln uns in warme, wasserdichte Mäntel ein, nehmen gerne ein heißes Bad, kuscheln im Warmen auf dem Sofa und holen die Daunendecke aus dem Schrank. Regen, Schneeregen, Wind und Matsch sind den meisten ein Gräuel und sie bleiben lieber in der warmen, trockenen Wohnung. Viele ReiterInnen legen dann auch ihrem Pferd eine Decke auf, möglichst schön kuschelig warm in der modischen Trendfarbe „taupe“ mit Silberapplikation, schlimmstenfalls auch noch mit Halsteil.. Fenster und Türen des Stalles werden windsicher verschlossen, das Stroh extra dick eingestreut und nach draußen muss der Liebling natürlich auch nicht mehr. Das arme Tier könnte sich ja Erkälten!?

Ein Schneebad – reinstes Pferdewohlfühlprogramm.,©Ute Axt ,BU Bernd Paschel

Paschel: Was bevorzugen denn die Pferde stattdessen?

Dr. Axt: Pferde haben eine völlig andere Komforttemperatur als wir Menschen (20 – 25°C). Sie lieben die Kühle und frische Luft und fühlen sich zwischen -5° und +10°C am wohlsten, manche Rassen, z.B. die Isländer sogar bis -15°C, „Wohlfühltemperatur“ wohlgemerkt!

Die Toleranzgrenzen sind weitaus höher und reichen von -30°C bis + 50°C, d.h. in diesem Temperaturbereich kommt ein gesundes Pferd mit seinen natürlichen Regelmechanismen ohne weitere Maßnahmen gut zurecht. Der zweite Faktor ist die Bewegung im Freien. Pferde bewegen sich natürlicherweise mehr als 20 Stunden täglich (also auch in der Nacht!), meist im Schritt und sie lieben eine erhöhte Position im Freien, beispielsweise auf einem leichten Hügel. Bei Sturm und Regen bevorzugen sie nur vorübergehend geschütztere Bereiche, um baldmöglichst wieder „im Freien“ zu sein. Dort haben sie als Fluchttiere den besseren Überblick und können Gefahren früher erkennen.

Die Herde in meinem Aktivstall sucht selbst bei widrigstem Wetter nicht immer die Unterstände auf. In der großen Ruhe- und Liegehalle sind sie eher im Sommer bei Hitze und Insektendruck, als im Herbst oder Winter anzutreffen.

Paschel: Der Herbst/Winter ist aber doch auch in den Pferdeställen die Zeit des Hustens. Was ist dafür der Grund, wenn nicht eine Erkältung?

Dr. Axt: Diese Erkrankung gibt es bei Pferden nicht, so wie wir Menschen z.B. nicht an „Hufrehe“ leiden können. Es ist eher genau das Gegenteil: Die Pferde werden von ihren Besitzern bei Schlechtwetter vermehrt im Stall gehalten und weniger bewegt oder nur in der (staubigen) Halle geritten. Das hat 2 fatale Folgen: Im Stall ist die Luft immer stärker mit Staub, Schimmelpilzen, Bakterien und ggf. Ammoniak belastet als im Freien. Die Pferde atmen also dauerhaft wesentlich schlechtere Luft ein. Durch die verminderte Bewegung leidet die Durchblutung und Selbstreinigung der Atemwege. Die besten Bedingungen für einen Husten, bei dem die vorgeschädigten Schleimhäute natürlich auch für sekundäre bakterielle Infektionen empfänglich sind.

Paschel: Warum schadet die Decke? Es gibt heute anatomisch geformte Modelle aus robusten Materialien, ähnlich der Funktionskleidung für uns Menschen. Was ist daran falsch?

Dr. Axt: Pferde haben ihre natürliche Funktionskleidung sowie eine überaus effektive Temperaturregulation. Sie durchlaufen 2 x im Jahr einen Fellwechsel, der den jeweils herrschenden Klimabedingungen angepasst ist. An einem regennassen Pferd ist genau zu sehen, wie das Wasser in ganz bestimmten Bahnen entlang der Fellrichtung abgeleitet wird. Es werden nur die Deckhaare nass und die Haut und das Unterfell im Winter bleiben trocken. Ebenso der Bauch und die Innenseiten der Beine. An den Fesseln befindet sich der „Kötenzopf“, an dem das Wasser abtropft und somit die empfindliche Fesselbeuge trocken hält. Ein wunderbar ausgeklügeltes System, perfekt für ein Tier der Steppe, in der es ja meist gar keinen Unterstand gibt.

Die hohe Wärmeisolationswirkung des Winterfells kann man sehr gut bei Schneefall erkennen. Dann bleibt der Schnee auf Schopf, Mähne, Rücken und Kruppe liegen d.h. die Körperwärme wird so gut abgeschirmt, dass er nicht schmilzt.

Neue Studien haben überdies gezeigt, dass das dauerhafte Gewicht einer Decke zu einer Minderdurchblutung von Rücken und Kruppe führt. Das wiederum kann die jeweilige Muskulatur und damit die Rittigkeit negativ beeinflussen. Auch die Haarmuskeln, welche für das Aufstellen der Haare bei Kälte verantwortlich sind („Gänsehaut“) werden geschädigt. Somit kann das Eindecken des Pferdes genau das Gegenteil von der ursprünglichen Intention bewirken.

Ein Winterfell ist die beste „Funktionskleidung“ für Pferde,, ©Ute Axt,BU Bernd Paschel

Paschel: Was hat es mit der Temperaturregulation auf sich? Können Pferde nicht auch frieren?

Dr. Axt: Pferde, wie im Übrigen alle Grasfresser, haben quasi eine „transportable Biogasanlage“. Ihre Verdauung findet großteils im Blind- und Dickdarm statt. Diese sind zu großen Gärkammern erweitert, in denen Bakterien die eigentliche Arbeit der Futteraufbereitung übernehmen. Es sind die gleichen Bakterien, die Wiederkäuer in ihrem Pansen tragen und die auch in den Biogasanlagen genutzt werden. Auch bei der Verdauung der Pflanzenfresser entsteht dabei Methangas, weshalb Wiederkäuer „rülpsen“ und Pferde regelmäßig „pupsen“. Ein weiteres Nebenprodukt der bakteriellen Zersetzung ist jedoch auch Wärme. Wenn es einem Pferd also zu kalt wird, so braucht es nur „Brennstoff“ nachlegen, d.h. rohfaserhaltiges Futter (Heu, Stroh) aufnehmen. Solange ein gesundes Pferd genügend gutes Heu zur Verfügung hat, kann es somit wunderbar auf kalte Temperaturen reagieren. Dies ist auch einer der Gründe, warum Pferde in kalten Regionen eher gut genährt und in heißen Regionen eher extrem schlank sind. Übrigens ist es falsch zu glauben, ein Pferd müsse sich im Winter durch vermehrte Bewegung „aufwärmen“. Ganz im Gegenteil: Von Natur aus sind Pferde im Winter auf „Energiesparen“ programmiert und regulieren ihren Wärmebedarf über Fell, Haut und Futter.

Leider hat die Zubehörindustrie die Pferdedecke als „Bestseller“ erkannt und sie wird entsprechend beworben. In manchen Ställen gibt es mittlerweile sogar einen regelrechten psychischen Gruppenzwang nach dem Motto: “Wie, Du deckst Dein Pferd nicht ein? Hast Du keine Angst, dass es krank wird?“ Wie wird ein frierendes Mädchen darauf reagieren?

Paschel: Welche Irrtümer gibt es in der Pferdehaltung noch? Haben Pferde nicht auch Ähnlichkeiten zu uns Menschen?

Dr. Axt: Die einzig wirkliche Ähnlichkeit ist das Bedürfnis nach Gesellschaft. Pferde sind sehr soziale Tiere und fühlen sich nur in einer Gruppe bzw. Herde mit Artgenossen wohl.

Da endet allerdings auch schon die Analogie, denn die Kommunikation der Pferde untereinander funktioniert großteils nonverbal, während wir Menschen uns hauptsächlich über die Sprache verständigen. Die sogenannten „Pferdeflüsterer“ wissen darum, sie arbeiten deswegen nur wenig mit Stimme und überwiegend mit Körperhaltung und Gestik. Auch haben Pferde nur selten Körperkontakt (z.B. beim Mähnekraulen), ihnen genügt meist die Nähe des anderen ohne direkte Berührung. Wir Menschen, insbesondere wir Frauen neigen oft zum übermäßigen Streicheln und Kuscheln, eine Verhaltensweise, die Pferde untereinander nicht zeigen. Eine gewisse Individualdistanz ist jedem Pferd eigen, sie ist beim Ruhen geringer, beim Fressen dagegen am größten.

Leben Pferde in einer Herde ohne Beeinflussung von außen, so verhalten sie sich gerne synchron. Sie fressen gleichzeitig, ruhen gleichzeitig und lassen sich durch andere zum Weiterziehen, Rennen, Wälzen, Urinieren, Spielen, Trinken u.ä. Verhaltensweisen animieren. Der Galopp in einer Gruppe im Gelände ist nicht umsonst bei vielen Reitern gefürchtet, zeigt sich doch hierbei deutlich, wie gut der Einfluss des Reiters das Instinktverhalten des Pferdes kontrolliert.

Ein großer Unterschied besteht auch in der Strukturierung und Organisation der Herde. Demokratie und antiautoritäre Erziehung sind Pferden unbekannt. Sie lieben klare stabile Verhältnisse mit einer gefestigten Rangordnung. Nur wenn sie ein ruhiges, erfahrenes Leittier haben, finden sie Sicherheit und Vertrauen. Ein Pferd hat kein psychisches Problem damit, dem Ranghöheren den Weg freizumachen, die Tränke zuerst zu überlassen oder bei der Entscheidung nach dem Fluchtweg nicht gefragt zu werden. Gerade bei solch alltäglichen Situationen in einer Herde interpretieren wir Menschen oft viel zu viel hinein und sehen Konflikte, wo gar keine sind. (zumindest nicht unter den Pferden)

Die Herde auf einem Aussichtshügel. Die Leitstute ist nicht immer das größte Pferd,(aufgenommen 2015 bei Staufen). © Foto: Ute Axt, BU: Bernd Paschel

Paschel: Ganz so friedlich geht es aber auch bei Pferden nicht zu. Häufig hört man doch von den Verletzungen durch Beißereien, Schlägereien oder unkontrolliertem Toben in einer Gruppe.

Dr. Axt: Ich unterscheide üblicherweise zwischen den Begriffen „Herde“ und „Gruppe“. Eine Pferdeherde ist für mich eine Anzahl von mind. 12 – 20 Tieren, die 24 Stunden an 365 Tagen auf einem entsprechend strukturierten Gelände zusammen lebt. Hier können sich Rangordnung, Tages- und Nachtrhythmus, charakterliche Eigenheiten, Vorlieben und Freundschaften ausbilden und stabilisieren. Jedes Herdenmitglied hat die Möglichkeit, sich seinem Wesen entsprechend zu verhalten, mehr oder weniger viel zu bewegen, jederzeit sein Komfortverhalten auszuüben, im Schatten oder in der Sonne zu stehen, in der Nähe der befreundeten Pferde zu sein, die Umgebung zu beobachten, ein Spiel zu beginnen, sich auszutoben. Einige Pferde werden eine bestimmte Rolle einnehmen: die Wächter, die Ruhepole, die Herdenclowns, die Furchtlosen, die Vorsichtigen, die Übermütigen, die Temperamentvollen, die „Mütterlichen“…….. Dieses Herdenleben führt zu einer großen Ausgeglichenheit aller Mitglieder. In einer solchen Herde gibt es normalerweise nur kleinere Blessuren, vergleichbar mit blauen Flecken und Kratzern, die auch Kinder von der KiTa oder Schule mit nach Hause bringen. Der einzige Zeitraum, zu dem tatsächlich eine erhöhte Verletzungsgefahr besteht, ist die Integration eines Neulings. Diese sollte daher entsprechend langsam und professionell erfolgen.

Unter einer Pferdegruppe verstehe ich Einzeltiere, die kurzzeitig (weniger als 2 Monate) zusammen auf einem Gelände, einer Weide oder einem Auslauf sind. Das beste Beispiel sind Boxenpferde, die tagsüber zusammen auf der Weide/Auslauf sind, nachts aber jedes einzelne wieder in seiner Schachtel verschwindet (box engl.  = Schachtel dtsch.). Sie haben keine Gelegenheit, eine echte Herdenstruktur zu bilden. Nach einer mehr oder weniger langen Phase der Einzelhaft (im Winter oftmals > 16 Stunden oder bei Schlechtwetter sogar mehrere Tage), wird die Gruppe zum gemeinsamen „Hofgang“ rausgelassen. (Mich erinnert eine solche Haltungsform wirklich an ein Gefängnis mit stundenweisem Ausgang im Innenhof.) Auf der Weide funktioniert das noch einigermaßen, dort sind alle mit Fressen beschäftigt. Aber auf einem unstrukturierten Auslauf evtl. noch ohne genügend Heu/Stroh sind Streitereien vorprogrammiert. Die Gruppe muss sich jedes Mal neu zusammenfinden und die Rangordnung immer wieder ausfechten. Heftige Beißereien und Schlägereien sind unausweichlich, gerade so wie auf einem Gefängnisinnenhof ohne Wärter. Von einer individuellen Entscheidung über Aufenthaltsort und Verhaltensweise kann nicht die Rede sein. Die Pferde werden entweder in der Box oder auf dem Auslauf „abgestellt“. Je länger die Pause in der Box, umso größer dann die Verletzungsgefahr draußen, auch z.B. durch Sehnenüberlastungen beim Toben in den ersten Minuten (die Pferde kommen ja quasi „kalt“ aus der Box)

Der Unterschied zwischen „Gruppe“ und Herde“ wird in unserem Stall immer dann deutlich, wenn ein Neuling seine erste Nacht in der Herde verbringt (nach ca. 14 Tagen Eingewöhnung). Danach ist alles anders und das Pferd wird als volles Gruppenmitglied akzeptiert. Die vollständige Integration in die Herde mit dem Platz in der Rangordnung und der individuellen Rolle dauert dann erfahrungsgemäß noch ca. 4 – 8 Monate. Danach führt das Pferd ein eigenständiges, vielfach selbstbestimmtes und wesentlich zufriedeneres Leben. Das Reiten wird dann für beide Seiten ein entspanntes Vergnügen, bockende, steigende und durchgehende Pferde sind Vergangenheit.

Paschel: Sie bezeichnen eine Pferdebox als „Schachtel“ und den Auslauf als „Gefängnisinnenhof“. Ist das nicht stark übertrieben“? Schließlich ist das die traditionelle Art, Pferde zu halten.

Dr. Axt: „Traditionell“ wurden Pferde bis ca. 1940 nur in der Landwirtschaft, in der Kavallerie, als Kutsch- und Arbeitspferde, auf großen Gütern oder in großen Gestüten gehalten. Die Haltung von Reitpferden in einer Box nur zu dem Zweck, 1 x am Tag für ca. 1 Stunde leicht bewegt (möglichst noch in einer Halle) oder spazieren geführt zu werden, ist eine Erfindung der Neuzeit. Pferde mußten früher regelmäßige ganztägige und anstrengende Arbeit im Freien verrichten. Auch Kavalleriepferde waren den ganzen Tag in Bewegung, und sei es nur auf dem Exerzierplatz. Die Zucht fand in wenigen Gestüten mit weitläufigen Weiden und großen Mutterstutenherden statt. Auch diejenigen, die sich Reitpferde als Freizeitvergnügen finanziell überhaupt erlauben konnten, hatten große Landgüter und Weideflächen.

Heutzutage sieht die Pferdehaltung oft nicht anders aus, wie eine agrarindustrielle Nutztierhaltung auch. Besonders gut erkennt man dies bei Neubauten mit Reithalle in Stadtnähe. Die Tiere sind in großen Gebäuden einzeln in viel zu kleine Käfige eingesperrt (beschönigend als „Box“ bezeichnet) und haben einen eigenen „Paddock“, der diesen Namen gar nicht verdient. Die Box ist natürlich gemäß den Leitlinien 2 x Stckm im Quadrat groß, der Außenbereich etwa ähnlich. (bei einem 1,70 großen Pferd ca. 2 x 12 qm).

Was kann ein Pferd in einem solchen Käfig tun? Sich ohne die Hufe anzuschlagen über den Rücken wälzen? Auch nur einen einzigen Bewegungsablauf geradeaus vollziehen (4 Beine = 4 Schritte + Körperlänge ergibt eine notwendige Strecke von ca.7 – 8 m) ? Traben oder gar Galoppieren? Mit dem Freund gemeinsam Mähne kraulen? Auf Reize aus der Umwelt mit Annäherung oder Flucht reagieren?

Je nach Region sind um die Ställe herum meist kleinere Ausläufe oder Weideparzellen, auf denen die Pferde einige wenige Stunden am Tag mit oder ohne Artgenossen verbringen dürfen. Bei schlechtem Wetter, insbesondere im Winterhalbjahr, sind diese aber leider häufig leer und unbenutzt.

Der „Gefängnishof“ eines Gestüts, 2017, ©Ute Axt, BU Bernd Paschel,

Pferde sind Lauftiere par excellence, von der Natur speziell geformt, um sich ca. 16 – 20 Stunden am Tag in der freien Steppe grasend fort zu bewegen und im Notfall so schnell als möglich zu flüchten und ausdauernd zu laufen! Sie schlafen im Liegen nur max 2 Stunden am Tag, die restlichen 2 Stunden dösen sie stehend. Sie sind nicht dazu entwickelt, 12 oder mehr Stunden am Tag alleine in einer engen Höhle zu verbringen!

Wer käme auf die Idee, z.B. seine Katze stunden- oder tagelang in einen äquivalenten Käfig zu sperren? (ca. 0,6 x 0,6 m) Dabei sind diese Tier artgemäß nur ca. 4 Stunden/Tag aktiv und 20 Stunden am Ruhen. Wieso machen wir diesen Unterschied? Ganz einfach: Katzen sind uns zu Hause ständig vor Augen und würden lauthals schreiend im Käfig protestieren. Unsere Pferde aber sind in einem entfernten Stall und bleiben stumm.

Laut §2 TSG muss jeder, der ein Tier hält, dieses artgemäß unterbringen und füttern. Käfige sind für Pferde sicherlich nicht artgemäß!!

Paschel: Sportpferde, die ja zumeist auch in dieser Weise gehalten werden, zeigen herausragende sportliche Leistungen in allen Disziplinen. Wie passt das zusammen? Müssten diese Tiere nicht Haltungsmängel durch mangelnde Leistung quittieren?

Dr. Axt: Kraft, Ausdauer, Anpassungsfähigkeit und die immense „Duldsamkeit“ unserer Pferde sind sprichwörtlich. Welches andere Tier ist sonst im Krieg und bei der Arbeit dermaßen ausgenutzt worden? Hier liegt die große Gefahr für die weit verbreitete, oft sogar unbewusste psychische Gewalt gegenüber Pferden: Sie leiden stumm und heimlich.

Ein erfolgreiches Turnierpferd ist ein Leistungssportler und muss sich genau wie dieser einer stahlharten Disziplin unterziehen. Sein gesamtes Leben verläuft in vollkommen unnatürlicher Weise und seine Leistungsfähigkeit muss deshalb mit allen möglichen trainings- und futtertechnischen, tierärztlichen, medikamentellen, physiotherapeutischen und sonstigen Behandlungen erhalten werden.  Pferde lassen sich im Training mit Stangen barren oder mit Kandare in die Rollkur zwingen, gewinnen ob ihrer perfekten Vorführung im Ring aber trotzdem die Goldmedaille!  Bei Sportpferden kommt dann immer noch die Angst vor Verletzungen durch andere Pferde hinzu, weshalb ihnen der gemeinsame Weidegang oder Auslauf meist verwehrt wird. Zeigt das Pferd dann stressbedingte Verhaltensänderungen wie Widersetzlichkeit, Durchgehen, Stangenbeißen, Holznagen, Kreislaufen, Koppen, Weben u.ä. sprechen wir von „Untugenden“. Dabei handelt es sich um den Aufschrei einer gequälten Pferdeseele, die sich keinen anderen Ausweg weiß. Eigentlich haben wir Menschen einen solch großherzigen Partner gar nicht verdient.

Ein Hinweis auf die fehlerhafte Haltung und überhöhte Belastung von Pferden ist auch die Dauer ihrer „Nutzung“. Die meisten Pferde scheiden aufgrund von Erkrankungen ihres Bewegungsapparats schon vor dem 16 – 18. Lebensjahr aus, nur ca. 14% aufgrund ihres Alters von über 20 Jahren. Dabei können Pferde 32 – 40 Jahre alt werden und bei richtiger Haltung auch entsprechend lange reitbar bleiben.

Paschel: Wie sieht denn nun ihrer Meinung nach eine artgerechte Pferdehaltung in der Praxis aus?

Dr. Axt: Dazu müssen wir uns ganz einfach nur an den naturgemäßen Eigenschaften und Grundbedürfnissen der Pferde (nicht der Reiter!) orientieren:

  1. Pferde sind soziale Herdentiere
  2. Pferde sind Bewegungs- und Fluchttiere
  3. Pferde sind Bewohner der trockenen Grassteppe
  4. Pferde sind Dauerfresser und benötigen rohfaserreiches Futter

Ad 1.

Pferde müssen mit Artgenossen gehalten werden mit denen sie jederzeit Sicht- Geruchs- und Hörkontakt haben. Am optimalsten ist der Familienverband aus mehreren Stuten mit ihrer Nachzucht. Das ist natürlich nur für Züchter machbar und in einer Pensionspferdehaltung unmöglich. Die Pferdeherde sollte dort je nach Gegebenheiten eine Größe von 8 – 40 Tieren haben, 12 – 24 sind optimal. Dann kennen die Pferde sich alle untereinander gut, jedes weiß, wem es besser aus dem Weg geht und jedes hat die Möglichkeit, einen oder mehrere Freunde zu finden. Es zeigt sich immer wieder, dass Pferde gerne Zweierfreundschaften pflegen.

Eine eingeschlechtliche Herde (nur Stuten bzw. Wallache) ist einfacher zu führen, aber nicht zwingend notwendig. Verschiedene Altersgruppen ergänzen sich oft gut, so dass Jungpferde von älteren beruhigt und erzogen werden während der Spieltrieb der jüngeren auch manchen Senior wieder auf Trab bringt. In unserem Stall sind von der Mutterstute mit Fohlen bei Fuß bis zum 30 jährigen Senior alle Altersstufen vertreten. Auch verschiedene Rassen und Größen sind aus Sicht der Herde kein Problem, allein die unterschiedlichen Futteransprüche sind dann zu managen. Wichtig ist in jedem Fall, dass das Auslaufgelände einige     Möglichkeiten für Einzeltiere bietet, sich zeitweise aus der Herde zurückzuziehen.

Eine Clique aus Shetty & Shire, Warmblut & Vollblut, 2017, ©Ute Axt, BU Bernd Paschel

Paschel: Wie sieht es aus, wenn ein neues Pferd in die Herde aufgenommen werden soll? Ist das mit jedem Pferd möglich?

Dr. Axt: Die problemlose Integration eines Neulings stellt tatsächlich eine spezielle Herausforderung dar und erfordert fachliches Fingerspitzengefühl. In dieser Ausnahmesituation sind natürlich Rangeleien, Bisse und Tritte möglich und entsprechend sollten alle Pferdebesitzer darüber informiert werden. Normalerweise sind Pferde zumindest in Ihrer Jugend in Fohlengruppen aufgewachsen und entsprechend sozialisiert. Ist dies bei einem Pferd nicht der Fall und hat es ggf. auch noch schlechte Erfahrungen mit einem Artgenossen gemacht, kann die Integration tatsächlich schwierig oder sogar unmöglich sein. Wir geben den Pferden auf jeden Fall genügend Zeit, aber wenn es nach 3 Monaten nicht funktioniert, sind die Chancen schlecht. In einem Pensionspferdestall muss natürlich die Verletzungsgefahr für die bereits vorhandenen Herdenmitglieder besonders berücksichtigt werden.

Paschel: Wie läuft eine solche Integration normalerweise ab?

Wir verfahren so, dass der Neuling nicht in die Herde „geworfen“ wird, sondern die Herde nach und nach zum Neuling kommt. Er hat eine Außenbox mit Paddock und jederzeit Sichtkontakt zur Herde. In den ersten 2 – 3 Tagen kommt er zunächst alleine in verschiedene Bereiche des Geländes und kann dieses somit in Ruhe erkunden, zur Weidesaison auf ein zur Herde direkt benachbartes Stück Weide. Schon in den ersten Tagen zeigt sich, welches Herdenmitglied dem Neuling gegenüber freundlich und welches abwehrend reagiert. Die freundlichen Artgenossen werden im Auslauf oder auf der Weide einzeln mit dem Neuling zunächst stundenweise und unter Beobachtung zusammengebracht. Der Zeitraum wird nach und nach verlängert, ebenso die Gruppe um den Neuling nach und nach vergrößert. Nachts ist er immer noch in seine Paddockbox. Nach 8 – 10 Tagen hat der Neuling vermehrt freundliche oder neutrale Kontakte und ist tagsüber mit der Hälfte bis 2/3 der Herde zusammen. Das ist der Zeitpunkt, zu dem er tagsüber mit der gesamten Herde zusammengeführt werden kann. Nach weiteren 4 – 8 Tagen bleibt er die erste Nacht in der Herde. Die Erfahrung hat gezeigt, je größer die Herde, umso einfacher gestaltet sich die Integration eines neuen Pferdes.

Paschel: Wie wird man dem Bewegungsbedürfniss der Pferde gerecht? Und was machen sie mit „Faulpelzen“?

Dr. Axt: Der Auslauf ist das wichtigste bauliche Element für die Pferde, Stall und Unterstände sind für sie zweitrangig. Er sollte so gestaltet sein, dass er unterschiedliche Bodenverhältnisse bietet (Naturerde, Sand, befestige Bereiche, Pflaster u.a.) und durch Strukturen wie Büsche, Bäume, Felsen, Gebäude, Zäune u.ä. unterteilt ist. Ein leeres Viereck, egal welcher Größe, entspricht diesen Anforderungen nicht. Alternativ ist es besser, 2 oder besser mehrere Flächen durch Laufwege zu verbinden. Wir haben mehrere Gebäude, Heuraufen und großzügig verteilte spezielle Heunetzbügel,auf dem Gelände installiert, um welche die Wege herumführen. Auch gibt es ein kleines Wäldchen sowie mehrere Erdwälle und Baumstämme. So haben die Pferde die Möglichkeit, sich bei Bedarf gegenseitig aus dem Weg zu gehen oder sich zurückzuziehen. Es ist interessant zu sehen, wie sich unterschiedliche Vorlieben für den Aufenthaltsplatz herausbilden und die Herde sich dadurch auflockert. Gibt es allerdings eine Schrecksituation (z.B. lärm durch Handwerker), kommt die Herde schnellstmöglich am höchsten Punkt des Auslaufs zusammen. Eine gute Befestigung der Hauptwege für einen matschfreien Untergrund bei Regen und Schnee ist enorm wichtig. 

Damit sich alle Pferde regelmäßig und ausreichend auf allen Untergründen bewegen, bedarf es etwas Motivation. Die einfachste Methode ist, die Futterstellen, die Tränke, Wälzplatz und den Ruhebereich möglichst weit auseinander zu platzieren. Durch zeitgesteuerte Rollraufen und eine computergesteuerte Kraftfutterstation werden zusätzliche Bewegungsanreize geschaffen. Wir haben außerdem einen sogenannten „Rundlauf“, ein Weg von ca. 6 m Breite der rings um die Weiden herum führt und insgesamt eine Strecke von ca. 800 m hat. Es ist herrlich zu sehen, wenn sich dort entlang eine Pferdegruppe (meist 4 – 8 Tiere) ein Rennen liefert. Bei GPS basierten Messungen haben wir tägliche Laufdistanzen von 11 – 30 km festgestellt.

Paschel: Gibt es denn für die Pferde keinen Stall für die Nacht bzw. einen Unterschlupf, den sie bei schlechtem Wetter aufsuchen können?

Dr. Axt: „Unterschlüpfen“ wollen Pferde von Natur aus nicht, das ist wiederum eher etwas für Menschen und Heimtiere. Pferde bevorzugen hohe, übersichtliche und einfach zugängige Unterstände mit trockenem, festen und rutschsicherem Boden.

Eine saubere, helle und luftige Liegehalle mit guten „Fluchtmöglichkeiten“ (mind. 2 Tore), 2017, ©Ute Axt ,BU Bernd Paschel

Bei uns haben sie eine große, helle und luftige Ruhe- und Liegehalle mit mehreren breiten Eingängen. Hier findet die gesamte Herde Platz. Der Boden ist mit großen, ca. 8 cm dicken Pferdebetten ausgelegt und mit Strohspänen dünn eingestreut. So haben die Pferde einen trockenen, weichen und rutschfesten Liegeplatz ohne dass sie ihre Nase in staubiger und schmutziger Einstreu vergraben. In der Halle sind sie allerdings weniger bei Schlechtwetter als vielmehr im Sommer hauptsächlich zum Schutz vor Hitze und Insekten. Auf dem Gelände befinden sich an den Heufutterstellen noch verschiedene Dachüberstände und durch die Gebäudewände windgeschützte trockene Stellen.

Paschel: In einer Herde von 24 – 30 sehr unterschiedlichen Tieren ist es nicht einfach, den individuellen Futterbedarf sicherzustellen. Wie gehen sie dazu vor?

Dr. Axt: Zunächst haben alle Pferde einen Bedarf an strukturiertem, rohfaserreichen und staubfreien Grundfutter, welches ihnen möglichst gleichmäßig über 24 Stunden verteilt zur Verfügung stehen soll. Die Futterpausen dürfen nicht länger als 4 Stunden sein. Das stellen wir mit gutem, spät geschnittenem Heu und sauberem Stroh in Heunetzen und Raufen zur Verfügung. Wir haben uns schlussendlich für eine ad libitum Fütterung mit relativ engmaschigen Heunetzen entschieden, so dass auch die Ponies nicht zuviel Gewicht auf die Waage bringen. Wenn eine genauere individuelle Heufütterung notwendig ist, so gibt es dazu mehrere Möglichkeiten: Die Fütterung des Heus über nur einzeln zugängige, computergesteuerte Futterstationen oder die zusätzliche Heufütterung in einem Selektionsbereich, der nur für ausgewählte Pferde zu bestimmten Zeiten zugänglich ist.

Die computergesteuerte Kraftfutterstation ist ein zentrales Element im Aktivstall. Sie sorgt dafür, dass die Pferde ihre Ration in kleinen Portionen über 24 Stunden verteilt aufnehmen können. Dadurch entsteht keine Aufregung in der Herde, kein Drängeln und kein Warten. Außerdem ist sie eine geniale Lösung, um die Pferde in Bewegung zu halten. Schon die kleinste Futterration genügt, damit sie die Station regelmäßig aufsuchen (normal alle 2 Stunden) und somit 12 x am Tag den Weg hin und zurück laufen. Ist sie dezentral lokalisiert, ergänzt das die tägliche Laufleistung der Pferde.

Paschel: Kommen die Pferde denn auch auf die Weide?

Dr. Axt: Wir haben in der hiesigen Region leider sehr wenig Weideland für Pferde. An unserem Hof sind es gerade einmal 3 ha, was unter normalen Umständen niemals für 20 – 24 Pferde reichen würde. Und genau hier kann der Aktivstall noch einmal seine Vorteile zeigen: Die Pferde benötigen die Weide nicht als Auslauf, sondern nur zur Futterergänzung. Während der Saison kommen sie nur stundenweise auf eine Portionsweide, die täglich abgeäppelt und nach der Beweidung gemäht wird. Durch das rotierende System haben wir über die ganze Saison hinweg eine gepflegte und dichte Grasnarbe ohne Beweidungsstress und Trittschäden. Pferde und Ponies, die nur wenig Grad fressen dürfen, bekommen für die kurze Zeit einen Maulkorb und können somit in der Herde zu bleiben.

Paschel: Pferde im Offenstall wirken besonders im Winter oft struppig, schmutzig und ungepflegt. Ist das gesund?

Al Ashara vor dem Striegeln, 2019, ©Ute Axt, BU Bernd Paschel
Al Ashara nach dem Striegeln, 2019, ©Ute Axt, BU Bernd Paschel

Dr. Axt: (schmunzelnd) Meine Araberstute ist für dieses sehr menschliche Bild ein Paradebeispiel. Sie ist eigentlich pechschwarz und hat im Winter ein schönes, samtiges und glänzendes Winterfell. Nur bekomme ich dieses meist nur kurz nach einem Regen zu Gesicht. Sie liebt einfach die feuchte, klebrige Lehmerde und wälzt sich darin täglich um die Mittagszeit sehr ausgiebig. Die Schlammbrocken hängen dann in ihrer Mähne und Schweif, an den Ohren und sogar auf den Augenlidern. Wälzen zählt zum „Komfortverhalten“ der Pferde und ist ein Ausdruck von Wohlbefinden und Entspannung. Ein glatt und glänzend geputztes Pferd ist kein Beweis für Gesundheit und Wohlergehen.

Paschel: Was hat es denn mit dem Begriff „trockene Grassteppe“ auf sich?

Dr. Axt: Diese Beschreibung beinhaltet fast alle für unsere Pferde wichtige Faktoren: in einer solchen Landschaft wie wir sie z.B. heute noch in der Mongolei vorfinden, steht das Gras nicht fett und grün so wie bei uns in Mitteleuropa. Das heißt, die Pferde müssen, um genügend Futter zu finden, große Flächen in der weitläufigen Region durchstreifen und sind eher an karge Kost angepasst. Die klimatischen Bedingungen zeichnen sich durch extreme Temperaturunterschiede zwischen den Jahreszeiten und zwischen Tag und Nacht aus. Dann können innerhalb eines Tages schon einmal 40 °C Differenz bestehen. Im Winter sind Schnee und starker Wind an der Tagesordnung während im Sommer die Sonne vom wolkenlosen Himmel brennt. Der Boden ist eher fest und steinig, nur selten lehmig und matschig. Ein weiteres Plus für die Pferde ist der gute Überblick, den sie in einer solch weitläufigen Natur haben, so dass sie sich nähernde Raubtiere früh genug erkennen können.

Wenn ich mir meine Araberstute in dieser Landschaft mit wehender Mähne und aufgerichtetem Schweif vorstelle, dann weiß ich, dass ich mit der Verwirklichung des Sonnenhofes auch ihr einen Traum erfüllt habe. Eine arabische Legende sagt, dass Pferde „die Kinder des Südwindes“ sind.

Wie können wir Menschen es wagen, den Südwind in eine enge, dunkle und staubige Box zu sperren?

„Al Azima“ – eine Tochter des Südwinds, 2010, ©Ute Axt, BU Bernd Paschel

Paschel: Wie wahr!

Die Legende trifft nicht nur auf Araber zu, sondern auch auf Hannoveraner, Holsteiner, das Deutsche Warmblut.,Shetties, Isländer, Trakehner, Vollblüter, warm und kalt, Western oder Englisch.- egal.

die Bestimmung des Pferdes ist die Freiheit!!!

Dr. Axt: Ja lieber Bernd, lass uns jetzt zum „Du“ übergehen, wie das unter Reitern üblich ist.

Paschel: Gern, liebe Ute, das nächste Interview in „Du“

Anmerkung: Der Beitrag wurde erstveröffentlicht am 21.Nov. 2019 bei Weltexpress